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Regierung & Opposition: Zu klein vs. zu schmutzig

Die programmatische Festlegung der Linken-Parteichefin Gesine Lötzsch pointiert einen Antagonismus, der die Bundespolitik seit Beginn der schwarz-gelben Koalition kennzeichnet: Der Regierung fehlt die Mehrheit, der Opposition das Mandat.

Gesine Lötzsch, die Vorsitzende der Linkspartei, hat sich klar zum Kommunismus bekannt. „Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung“, schreibt sie in einem Vorabdruck ihrer Rede, die sie an diesem Sonnabend in Berlin halten will. Gemeinsam mit der Ex-RAF-Terroristin Inge Viett und der amtierenden Vorsitzenden der DKP wird Lötzsch über das Thema „Wo bitte geht’s zum Kommunismus? Linker Reformismus oder revolutionäre Strategie-Wege aus dem Kapitalismus“ diskutieren. Die Verbrechen von Kommunisten erwähnt Lötzsch mit keinem Wort.

Diese programmatische Festlegung pointiert einen Antagonismus, der die Bundespolitik seit Beginn der schwarz-gelben Koalition kennzeichnet: zu klein gegen zu schmutzig. Mit dem Absturz der FDP hat die Regierung laut sehr stabilen Umfragen ihre Mehrheit eingebüßt (zu klein). Das oppositionelle Lager – Rot-Rot-Grün – käme zwar bequem an die Macht, wäre aber durch den notorischen Dogmatismus der Linkspartei politisch kontaminiert (zu schmutzig). Und ob es für Rot-Grün ohne Linkspartei reicht, ist zweifelhaft.

An dieser Konstellation wird sich weder durch Guido Westerwelles Parteitagsrede oder Horst Seehofers Auftritt in Wildbad Kreuth etwas ändern noch durch die sieben Landtagswahlen in diesem Jahr. Das einzige Szenarium, an das sich Angela Merkels Hoffnungen klammern können, wäre ein Doppelrücktritt Westerwelle/Seehofer plus Sieg für Schwarz- Gelb in Baden-Württemberg plus anhaltend positive Wirtschaftsdaten plus günstige Euro-Rettung. Man soll nie nie sagen, doch auf einen solchen Viererschlag zu bauen, wäre verwegen. Und Verwegenheit lässt sich der Kanzlerin als Letztes nachsagen.

Zu erwarten ist folglich eine radikalisierte Lager- und Koalitionsdebatte. Die Bürgerlichen gegen die roten Socken, und andersherum: die sozial Gerechten gegen die unterkühlten Neoliberalen. Ein extrem hohes Maß an taktischem Verständnis wird dem Wähler abverlangt. Und zwei Parteien werden dabei im Mittelpunkt stehen – die SPD und die Grünen.

Bis heute haben die Sozialdemokraten ihr Verhältnis zur Linkspartei nicht geklärt. Selbst im Land Berlin könnte Klaus Wowereit nach dem 18. September vor einem pikanten Dilemma stehen: Soll er das eingespielte Bündnis mit einer kleinen, handzahmen Linkspartei fortsetzen oder eine neue Koalition mit den starken, unbequemen Grünen eingehen? Jeder Bundesgenosse wiederum fürchtet, neben der Thilo-Sarrazin-Debatte, kaum etwas mehr als die Spaltkraft der Frage „Wie hältst Du’s mit den Kommunisten?“

Die Grünen schließlich – die mit vollem Namen „Bündnis 90/Die Grünen“ heißen, weil sie bewusst an das dissidentische DDR-Bürgerrechtserbe anknüpfen wollen – haben diese Auseinandersetzung noch vor sich. Bevorzugen sie ein relativ stabiles Zweierbündnis mit der ungeliebten Union mit vielen Ministerposten? Oder gehen sie eine fragile Dreiecksbeziehung mit der SPD und den geistigen Erben des Kommunismus ein, was eine Fundi-Realo-Diskussion in ungelöster Permanenz bedeutet? Zu klein versus zu schmutzig: Mehr Zwang zur Partei-Identität war nie, mehr Zwang zur Flexibilität auch nicht.

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