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Gérard Depardieu und Wladmir Putin scheinen sich gut zu verstehen.

© Reuters

Reichensteuer: Die spinnen, die Gallier!

Gérard Depardieus Russlandbegeisterung wirkt durchgeknallt. Die Reichensteuer von 75 Prozent in Frankreich ist es aber auch. Am Ende wird das Land damit mehr Geld verlieren als einnehmen.

Das ist es, was Deutsche an ihren französischen Nachbarn lieben. Die Begeisterung für das Leben und dessen heitere Seiten, die Leichtigkeit des Seins, die ungezügelten Temperamentsausbrüche, Wein und Gesang, begnadete Schauspieler, die große Tragöden und auch zum Brüllen komische Charakterdarsteller sein können.

Gérard Depardieu ist einer der bekanntesten von ihnen, und bei kaum einem anderen würde uns auch der Klamauk mehr faszinieren, mit dem er seine frisch erworbene russische Staatsbürgerschaft inszeniert. Auf der Flucht vor der Reichensteuer seines Präsidenten François Hollande wird Obelix zum Oligarchix – so hat ihn Tagesspiegel-Karikaturist Klaus Stuttmann gestern auf die erste Seite der Zeitung gebracht. Wladimir Putin hat die Sache mit dem Pass eingefädelt. Jener Putin, dessen Lust an der Selbstdarstellung zwar nicht Depardieu’sches Format hat, der aber weiß, dass auch die Politik in der lupenreinen russischen Demokratie vor allem eine Bühne ist, die mit Präsenz gefüllt sein will.

Ob die beiden viel Freude aneinander haben werden, steht dahin. Hier der russische Präsident, in seiner Abneigung gegen jeden Kontrollverlust der genuine Erbe des Mineralsekretärs Gorbatschow, dort der Mime aus Frankreich, den die Lust am Wein schon mal dazu bringt, sich schlecht zu benehmen. Und ob Depardieu tatsächlich jemals die 186 Tage pro Jahr in Russland lebt, die er vorweisen können muss, um vom niedrigen Steuersatz von 13 Prozent zu profitieren – warten wir’s ab, was geschieht, wenn die Trauben auf seinem südfranzösischen Weingut reif sind.

So durchgeknallt Depardieus Russlandbegeisterung aber auch wirkt, so wenig durchdacht ist die Reichensteuer von 75 Prozent, mit der François Hollande in den Wahlkampf gezogen ist, und die er nun, nach einem ersten Einspruch des obersten französischen Gerichts, juristisch wasserdicht machen muss. Dass Wohlhabende deutlich höhere Steuern zahlen sollten als die Durchschnittsverdiener – geschenkt. Da ist auch in Deutschland noch Spielraum nach oben, ohne dass sich die Betroffenen vom Staat verfolgt fühlen müssten. Aber eine Abgabenquote von 75 Prozent, das ist konfiskatorisch, das erzwingt geradezu Ausweich- und Absetzbewegungen.

Fast jeder, der mehr als eine Million Euro im Jahr verdient, wird Möglichkeiten suchen und auch finden, in einem anderen Land der Europäischen Union seine Steuern zu zahlen. Und wenn es auf diesem Kontinent nicht klappt, dann eben auf einem anderen. Im Endeffekt wird die Reichensteuer für Frankreich zu einem Minusgeschäft werden, denn Geld, das in Frankreich nicht versteuert wird, kann man auch nicht dort investieren. Was in Frankreich vor allem fehlt, und wofür jede Politik eigentlich werben müsste, ist ein gesamtgesellschaftliches Verantwortungsgefühl der Vermögenden gegenüber ihrem Land. Mit der Reichensteuer wird sich das nicht einstellen.

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