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Religion: Eine Moschee für Charlottenburg?

Am Mierendorffplatz will ein bislang moderat in Erscheinung getretener Verein eine neue Moschee errichten - und macht sich mit seiner intransparenten Finanzierung doch verdächtig. Nicht besser verhält sich einmal mehr die Berliner Politik. Eine Position von Ian Johnson

In den vergangenen Monaten gab es in meiner Charlottenburger Nachbarschaft viel Ärger darüber, dass die politische Führung der Stadt entschieden hat, dort den Bau einer großen Moschee zu genehmigen. Der Bau ist höchst problematisch, aus mehreren Gründen.

Als Vorrede: Ich bin nicht gegen repräsentative Moscheen, auch nicht in meiner eigenen Nachbarschaft. Im Gegenteil. Mein Problem ist ein anderes und betrifft in erster Linie die mangelnde Aufrichtigkeit gegenüber den Bürgern.

Wir lesen in der Zeitung, dass die Moschee auf einem Industriegelände entstehen soll. Das ist nur formal richtig: Der Platz ist ein kleines ehemaliges Fabrikgelände inmitten eines Wohnbezirks. Drumherum gibt es Nachbarn. So zu tun, als gäbe es die nicht – und als sei die öffentliche Meinung deshalb irrelevant – ist falsch.

Viel problematischer ist, dass die Moschee von Inssan e. V. gebaut wird. Dies ist eine Verbindung einiger Dutzend Muslime. Der Bau kostet jedoch mehr als drei Millionen Euro und soll 700 Gläubigen Platz bieten. Das ist angesichts von Inssans Größe vollkommen überproportional. Daran schließen sich legitime Frage über Inssan, ihre Finanzierung und Ziele an. Keine davon wurde in einem offenen, sachlichen Rahmen debattiert.

Es ist eindeutig, dass Inssan eng mit der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) verbandelt ist. Das ist wichtig, weil die IGD von Mitgliedern der Muslimischen Bruderschaft gegründet wurde, der einflussreichsten Organisation des politischen Islam. Diese Verbindungen bestehen bis heute; der derzeitige Chef der Bruderschaft arbeitete früher als Imam für eine Moschee der IGD. Darüber hinaus ist der IGD Teil eines europaweiten Netzwerkes, das mit der Bruderschaft verbunden ist.

Inssans Verbindungen zur IGD sind ähnlich eindeutig. Der IGD-Chef Ibrahim al Zayat hat das Gelände für Inssans ursprüngliche Moschee in Neukölln gekauft - im Auftrag des „Europe Trust“, einer in Großbritannien angemeldeten Wohltätigkeitsorganisation, die von der IGD und anderen mit der Bruderschaft verbundenen Organisationen gegründet wurde.

Nichts davon ist illegal. Aber so lange Inssan sich mit solch fragwürdigen Gruppierungen wie der IGD abgibt, können Politiker nicht behaupten – wie sie es tun –, dass es sich bei Inssan um eine vorbildliche muslimische Organisation handelt. Inssan hat ohne Frage viele intelligente, gebildete Leute, die alle fließend deutsch sprechen. Es stimmt auch, dass sie Veranstaltungen gegen Rassismus, Antisemitismus und für Integration organisiert haben. Aber wenn Inssan wirklich so aufgeklärt und modern ist, warum sind seine Finanzen und Verbindungen so intransparent? Wer glaubt schon dem Argument der Mitglieder, dass die nur das Geld der IGD nehmen, aber nicht deren Ideologie? Um sich bei der Berliner Elite einzuschmeicheln, trifft man sich mit Mitgliedern der Dialogindustrie und veranstaltet politisch korrekte Veranstaltungen. Aber bei den wichtigen Fragen, spielt Inssan nicht mit offenen Karten: was die Verbindung zur IGD angeht und wie er sich finanziert. Der Verein hat sich an keinen der tausenden Bewohner rund um den Mierendorffplatz gewandt. Stattdessen plant er einen Deal mit den Eliten der Stadt und setzt der Nachbarschaft eine Moschee vor die Nase.

Noch mehr Schuld aber tragen die Politiker. Sie wissen, dass sie dem Islam Platz einräumen müssen, sie sind aber zu faul, sich mit normalen Muslimen auseinanderzusetzen – von denen die große Mehrheit nicht organisiert ist. Stattdessen arbeiten sie mit politisierten Gruppen wie Inssan zusammen und deren vermeintlicher Modernität. Die Bürger spüren diese Heuchelei und werden – aus Mangel an einem demokratischen Ventil – in die Arme von irgendwelchen populistischen Gruppierungen getrieben, die die Moschee aus nationalistischen oder rassistischen Gründen ablehnen.

Vor einigen Jahren schrieb ich über eine gigantische Moschee in Duisburg-Marxloh. Das Projekt erhielt breite Unterstützung, weil die Stadt sich für echten Dialog stark machte, statt für ritualistische Treffen zwischen professionellen Muslimaktivisten und der üblichen Clique von Politikern und Ausländerbeauftragten. Charlottenburg sollte sich Marxloh zum Vorbild nehmen und normale Muslime und Nichtmuslime zusammenbringen für ein Vorhaben, das die Nachbarschaft verbinden und nicht spalten sollte.

Der Autor ist Journalist und Pulitzer-Preisträger und wohnt in Berlin. Er hat gerade ein Buch über den Islam im Deutschland des Kalten Krieges geschrieben, das im nächsten Jahr in den USA bei Harcourt erscheint.

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