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Der Sturz von Präsident Assad wird sicherlich einen Wendepunkt im Syrien-Konflikt markieren. Er kann ihn aber nicht beenden.

© Reuters

Update

Religionskrieg: Der Hass erstickt die Hoffnung für Syrien

Der Sturz des Assad-Regimes wird oft als Lösung für den Syrien-Konflikt propagiert. Doch in der unterdrückten sunnitischen Mehrheit hat sich ein so gewaltiger Hass aufgestaut, dass niemand für die Zeit danach garantieren kann.

Von Hans Monath

So sehr ist Baschar al Assad in den eineinhalb Jahren seit dem Beginn des Aufstands in Syrien zum Prototyp eines blutigen Tyrannen geworden, dass die Nachricht von seinem nahenden Machtverlust in Washington, Paris oder Berlin eigentlich Freudengesänge provozieren müsste. Doch das Gegenteil ist der Fall. Obwohl sich die Anhaltspunkte dafür häufen, dass die Endphase des Regimes begonnen hat, sind die Sorgen in den westlichen Hauptstädten nicht kleiner, sondern größer geworden.

Mit Zynismus hat das nichts zu tun, mit Vorsorge schon mehr. Denn niemand kann darauf vertrauen, dass ein Sturz Assads oder seine Flucht ins Ausland das Morden beenden wird. Die moralische Genugtuung über einen Diktatorensturz steht in keinem Verhältnis zu den Risiken, die eine weitere Eskalation des Konflikts für die Syrer, für ihre Nachbarn und auch für Europa heraufbeschwört.

Assad hat alles dafür getan, dass diese Eskalation wahrscheinlich geworden ist. Seine Kompromisslosigkeit und sein brutales Vorgehens gegen das eigene Volk waren und sind nicht nur himmelschreiende Menschenrechtsverletzungen. Sie haben auch jeden Spielraum für einen Ausgleich zwischen den verschiedenen ethnisch-religiösen Gruppen des Landes zunichte gemacht.

Video: UN-Beobachter rügt Gefährdung von Zivilisten

Nun kämpft mit Assad auch die Minderheit der Alawiten, die seinen Sicherheitsapparat kontrolliert, ums Überleben. Und auch die Christen, die das säkulare Regime schützte, sind bedroht. In der unterdrückten sunnitischen Mehrheit hat sich gewaltiger Hass aufgestaut. Kein Mensch kann garantieren, dass das Abschlachten gefangener Assad-Anhänger durch Rebellen nicht den Aufschein eines künftigen Syrien darstellt, eines Syrien freilich, das die Helfer der Aufständischen im Westen nie gewollt haben.

Es ging nie um einen Freiheitskampf.

Denn nie ging es im Widerstand gegen Assad nur um einen Freiheitskampf, wie das manche glauben wollten. Tatsächlich wurde und wird in dem Land längst ein Religionskrieg und ein Stellvertreterkrieg geführt. Wegen seiner Lage in der ohnehin instabilen Region zwischen der Türkei, dem Irak, Jordanien, Israel und dem Libanon sowie wegen der massiven Interessen des Iran und Russlands am Verbleib seines Verbündeten stellt Syrien eine Art Scharnier der Weltpolitik dar.

Die verschiedenen Oppositionsgruppen, die gegen Assad kämpfen, sind untereinander zerstritten und zeigen wenig Neigung, sich auf gemeinsame Ziele zu einigen. Auch die Islamisten mischen längst mit. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Gewalt in Syrien nur durch den militärischen Sieg einer Gruppe beendet werden kann. Der Libanon vor rund vierzig Jahren, Afghanistan in den 90ern und der Irak der Jahre 2005 bis 2007 sind schreckliche Beispiele dafür, welche Katastrophen ein ethnisch-religiös aufgeladener Bürgerkrieg anrichtet – und welche Gefahren er über seine Grenzen hinaus exportieren kann.

Die deutsche Außenpolitik setzt weiter auf eine politische Lösung, also auf eine Einheitsregierung, in der sich alle ethnisch-religiösen Gruppen repräsentiert fühlen. Tatsächlich aber sind in Syrien die Einflussmöglichkeiten von außen auf ein Minimum zusammengeschrumpft, sofern man nicht einer Militärintervention das Wort reden will. Für die gibt es im Westen weder eine Bereitschaft noch im UN-Sicherheitsrat ein Mandat. Es bleibt deshalb nur: humanitäre Hilfe, weiter Druck auf das Regime – und Vorbereitungen auf „worst case“-Szenarien, zu denen auch der Einsatz von Chemiewaffen durch Assad oder Islamisten gehört.

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