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Meinung: Rentenreform: Respekt trotz allem

Sozialminister Walter Riester hat in dieser Woche ein Stück deutscher Sozialgeschichte geschrieben. Ausgerechnet der Mann, der seine Pläne für die Altersvorsorge über Monate immer wieder korrigieren, der immer wieder nachbessern und verändern musste: Der soll nun der große Rentenreformer sein?

Sozialminister Walter Riester hat in dieser Woche ein Stück deutscher Sozialgeschichte geschrieben. Ausgerechnet der Mann, der seine Pläne für die Altersvorsorge über Monate immer wieder korrigieren, der immer wieder nachbessern und verändern musste: Der soll nun der große Rentenreformer sein? Zu einem Teil ist er das wirklich. Noch vor zwei Jahren wäre es unvorstellbar gewesen, der Privatisierung bei der Rente das Wort zu reden. Nun sind es die Sozialdemokraten, die ihre alten Grundsätze über Bord werfen und die neben der abgespeckten umlagefinanzierten gesetzlichen Rente die kapitalgedeckte private Altersvorsorge einführen. Die Rente wird teilprivatisiert. Sogar die Gewerkschaften sagen Ja zu dem, was sie bis vor kurzem noch lautstark als neoliberales Teufelszeug verdammt haben.

Dass dieser Wechsel in der Sozialpolitik möglich wurde, ist Walter Riesters großer Verdienst. Heute stellt kaum jemand in Frage, dass die Sicherung eines angemessenen Lebensstandards im Alter ohne zusätzliche Privatvorsorge nicht mehr möglich ist. Der Staat gibt Verantwortung zu einem vertretbaren Teil an die Bürger zurück. Die rot-grüne Rentenreform ist damit eine Reform so recht nach dem Geschmack der "neuen Mitte".

Warum wird Riester dennoch nicht gefeiert? Warum hält sich das Bild des glücklosen Ministers so hartnäckig? Im monatelangen Feilschen um die Details seiner Reform hat der Sozialminister tatsächlich nicht immer eine überzeugende Figur abgegeben. Oft wirkte er getrieben, bisweilen schienen eher SPD-Fraktionschef Peter Struck und die sozialdemokratischen Abgeordneten die Entscheidungen zu diktieren. Eine Nachbesserung jagte die nächste. Hinzu kommt, dass manche Rechengrundlage für die Reform angezweifelt werden muss.

Wer glaubt denn wirklich, mit dem neuen Gesetz sei bis ins Jahr 2030 ein Niveau der gesetzlichen Rente von 67 Prozent und ein Beitragssatz von 22 Prozent garantiert? Für einen so langen Zeitraum lassen sich solche Gewissheiten nicht verkünden. Schon gar nicht per Sozialgesetz. Die Geschichte der Rentenversicherung lehrt eher, dass sie laufend den sich ständig verändernden Bedingungen angepasst werden muß. Das war in den vergangenen Jahrzehnten so, und das wird auch so bleiben. Wer weiß denn, wie sich die Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren entwickelt? Wer weiß, ob wir nicht im Jahr 2020 alle länger arbeiten müssen?

Die gut Verdienenden, die besser Gebildeten können das neue Angebot der Regierung schnell annehmen und die finanzielle Förderung beim Aufbau der Zusatzrente nutzen. Es fällt ihnen nicht schwer, privat vorzusorgen, wo sich der Staat aus der Verantwortung zurückzieht. Viele von ihnen tun das heute schon, weil sie wissen, dass die gesetzliche Rente nicht mehr reicht. Die Bewährungsprobe für die Rentenreform wird aber sein, ob auch die mitmachen, die es am nötigsten haben: die Geringverdiener, die Alleinerziehenden, die Familien.

Nur wenn das gelingt, wird Riesters Reform am Ende den Erfolg haben, den die Regierung anstrebt. Für Familien mit dünnem Geldbeutel ist der Betrag, den sie aus eigener Tasche für die Zusatzrente aufbringen müssen, immer noch erklecklich. Die Versuchung ist groß, dieses Geld heute auszugeben, statt privat fürs Alter zu sparen. Dann gibt es am Ende aber nur die gekürzte gesetzliche Rente, die nicht mehr reicht, wenn immer weniger Beschäftigte für immer mehr Alte aufkommen müssen.

Bund und Länder werden noch darüber verhandeln müssen, wie es Geringverdienern und Familien leichter gemacht werden kann, privat vorzusorgen. Für die finanzielle Förderung der Privatrenten braucht die Regierung die Zustimmung des Bundesrats und damit der Union. Weniger bürokratisches Regelwerk und ein stärkeres Augenmerk auf die Familien sollten die Ziele des Vermittlungsverfahrens zwischen Bund und Ländern sein. Erst dann wäre die Reform wirklich gut gemacht. Eine Baustelle, auf der ständig gewerkelt werden muss, wird die Rente weiter sein: morgen, 2010, 2020 und auch 2030. Mit einem Unterschied allerdings. Neben ihr wird etwas Neues aufgebaut, die private Zusatzversorgung. Und die bleibt, auch über 2030 hinaus.

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