zum Hauptinhalt

Meinung: Rinderwahn: Mit schrecklich gutem Gewissen

Der rührige Rupert Neudeck, Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur, hat sich eine geniale Lösung ausgedacht: Das Fleisch von 200 000 Rindern - die Hälfte der in Deutschland zur Schlachtung und Vernichtung vorgesehenen älteren Kühe - soll als Hilfslieferung an das hungergeplagte Nordkorea geschickt werden. Auf einen Schlag wäre ein ethisch heikles Entsorgungsproblem gelöst.

Der rührige Rupert Neudeck, Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur, hat sich eine geniale Lösung ausgedacht: Das Fleisch von 200 000 Rindern - die Hälfte der in Deutschland zur Schlachtung und Vernichtung vorgesehenen älteren Kühe - soll als Hilfslieferung an das hungergeplagte Nordkorea geschickt werden. Auf einen Schlag wäre ein ethisch heikles Entsorgungsproblem gelöst. Und im hochregulierten Nordkorea gibt es weder einen Rindfleisch- noch irgendeinen anderen Markt. Also können die regionalen Strukturen in diesem Fall nicht, wie schon oft zuvor, durch deutsche Hilfslieferungen kaputt gemacht werden.

Was könnte es da noch für Einwände geben, wenn es doch darum geht, das rumorende deutsche Gewissen gleich doppelt zu beruhigen? Plötzlich wäre der tausendfache Rindertod, um den Markt zu entlasten, nicht mehr sinnlos oder lediglich schnöden wirtschaftlichen Argumenten geschuldet. Und gleichzeitig hätte Deutschland auch noch etwas Gutes getan. Dass da vorher niemand darauf gekommen ist!

Was dagegen spricht, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Es gibt schließlich eine gut funktionierende deutsch-nordkoreanische Tradition, wenn es um die Überschüsse der hiesigen Wohlstandsgesellschaft geht. Auch für kaum verwertbaren Plastikmüll, den das Duale System Deutschland seit mehr als zehn Jahren einsammelt, hat sich Nordkorea mehrfach als dankbarer Abnehmer angeboten. Zuletzt 1997, als Greenpeace das Geschäft bedauerlicherweise vereitelte, weil die Umweltorganisation dafür sorgte, dass die Details zur Unzeit bekannt wurden. Bei älteren Kühen dürften die Skrupel geringer sein. Auch wenn die Welthungerhilfe nicht zu Unrecht einwendet, dass auch diese wieder nur den Eliten Nordkoreas zu Gute kommen werden.

Das gewichtigere Argument gegen das gute Geschäft ist der mangelnde Nutzen für die Bevölkerung. Wurst und Hackfleisch - viel mehr lässt sich aus den Tieren, die in den Ställen der Bauern derzeit für Überfüllung sorgen, kaum herstellen - gehören nicht gerade auf den üblichen Speisezettel in Nordkorea. Dort fehlt es an Reis, an Grundnahrungsmitteln, nicht in erster Linie an der tierischen Proteinzugabe. Und wer über Jahre nicht genug zu essen hatte, verträgt weder Wurst noch Hackfleisch. Tatsächlich nützt die Lieferung von 200 000 Rindern vor allem der deutschen Fleischindustrie. Ein gutes Argument, doch noch Skrupel gegen Neudecks geniale Idee zu entwickeln.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false