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Rot-Rot in Berlin: Wowereits Mehrheit: Knapp ist nicht sexy

Die Macht des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit bröckelt. Dass ihn der Übertritt einer SPD-Abgeordneten zu den Grünen an den Rand der Handlungsfähigkeit bringt, ist eine feine Ironie der jüngeren Landespolitikgeschichte.

Die Schwäche der Jamaika-Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus hatte vergessen lassen, auf wie wackeligen Beinen Klaus Wowereits zweiter rot-roter Senat steht. Das mag auch daran gelegen haben, dass die SPD in der vermeintlich bequemen Lage war, sich zwischen zwei Koalitionspartnern entscheiden zu können. Wowereit verschmähte damals die Grünen und entschied sich für die aus seiner Sicht einfacher zu handhabenden Linken. Dass ihn nun der Übertritt einer SPD-Abgeordneten zu den Grünen an den Rand der Handlungsfähigkeit bringt, ist eine feine Ironie der jüngeren Landespolitikgeschichte.

Noch verfügt die Koalition über eine eigene Mehrheit, doch dieses große Wort ist auf eine kleine Stimme geschrumpft, und auch damit könnte es bald vorbei sein. Carl Wechselberg, Abgeordneter der Linken, hat vor einigen Tagen angekündigt, seine Ämter niederzulegen und dies mit einer Radikalisierung seiner Partei begründet. Eine nicht ganz abwegige Erklärung, war es doch ein Bezirksverordneter der Linken, der die Krawalldemo vom 1. Mai angemeldet und später mit den Worten verteidigt hatte, dass Steine geworfen werden, zeige, dass die Leute dazu eben Lust hätten. Aber statt eines Ausschlussverfahrens droht dem jungen Mann nun ein pädagogisches Gespräch mit seiner Bezirksvorsitzenden. Na dann.

Der rot-rote Senat wäre aber noch nicht am Ende, wenn er von Wechselberg’schen Mehrheiten abhängig ist. Zum Sturz des Regierenden Bürgermeisters bedarf es der Mehrheit im Parlament, doch mehr als eine Enthaltung dürften CDU, FDP und Grüne selbst von einem parteilosen Linken Wechselberg nicht erwarten. Aber regieren könnte Wowereit so, bei einem Patt, auch nicht mehr, und nur Zynikern dürfte dazu einfallen, dass sich dann ja am jetzigen Zustand nicht viel änderte. Keine kleine Personalie bekäme der Senat noch durchs Parlament, einen Haushalt erst recht nicht.

Nicht nur für den neuen Finanzsenator Ulrich Nußbaum wäre dies mittelfristig untragbar. Denn die Situation wird dadurch verschärft, dass es in der Koalition einige schwer zu führende Abgeordnete gibt, die plötzlich über die besondere Macht der wirksamen Destruktion verfügen. Eine stabile Regierung sieht anders aus.

Zwei CDU-gestützte Volksentscheide hat der Senat gut überstanden. Jetzt gerät er durch die eigenen Leute an den Abgrund. Wie geht es weiter, wo führt das hin? Hoffnungen auf die Grünen sollte sich Wowereit nicht machen; für einen Regierungsrettungswechsel während der Legislaturperiode dürfte der Stolz der Verschmähten zu groß sein, und politisch wäre für sie nicht viel zu gewinnen. Hoffnungen auf rasche Neuwahlen sollte sich andererseits die Opposition nicht machen, dafür ist Wowereit zu zäh. Deshalb hat Frank Henkel, der neue starke Mann der CDU, in einer ersten Reaktion richtiges Gespür gezeigt: Er vermied jeden Überschwang, analysierte kühl und kündigte an, diese denkbar knappste Mehrheit bei jeder Gelegenheit zu strapazieren. Es wird ungemütlich für Wowereit.

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