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Meinung: Rot sehen

Alles im grünen Bereich? Steinbrück kann sich in NRW keine Schwäche mehr leisten

Ob er wohl rot wird? Die Chancen müssten dafür gut stehen. Peer Steinbrück könnte entweder Wut oder Scham empfinden, so sehr hat er sich in den rot-grünen Konfrontationsgesprächen blamiert. Nur eines ist ihm gelungen: Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen hat seine Bekanntheit gesteigert. Den Namen werden sich viele merken. Bis zur nächsten Wahl.

Frust, Entsetzen, Unmut, so wird von den landespolitischen Beobachtern das Urteil der SPD über Steinbrücks Verhandlungsführung und die erzielten Ergebnisse zusammengefasst. Solch einen Rummel hat er gemacht – und wofür? Von wegen „Rot pur“, wie der neue Mann nach Clement den Genossen wortmächtig angekündigt hatte. Herausgekommen ist eine grün-rote Agenda 2005: Steinbrück lässt den Metrorapid sausen; die jährlichen Steinkohlesubventionen werden deutlich zurückgenommen; das Land hat künftig nur noch drei statt fünf Regierungsbezirke; bei Köln wird ein Gaskraftwerk gebaut; Bärbel Höhn behält ihre Ministermacht. Nur dass der Flughafen Düsseldorf seine Kapazität ausbauen wird, gefällt den Grünen nicht so sehr. Das lohnt keine Konfrontation in der Koalition.

Wohl aber wird der Ministerpräsident mit den Ergebnissen konfrontiert werden, und zwar vom Sonderparteitag am Sonntag an. Sechs Wochen und sieben Krisengespräche lang wurde gestritten – am Ende steht die gesamte SPD geschwächt da. Und nur die SPD.

So richtig es ist, Klärungen rasch herbeizuführen, wenn sie nötig erscheinen: Im Kabinett geht das auch. Es kann sogar ohne Getöse gehen, was dem Wahlvolk nach allen Umfragen ja auch besonders wichtig ist. Das ist vor allem dann ratsam, wenn ein politisches Bündnis fortgesetzt werden soll. Steinbrück dagegen wirkte auf alle innerhalb und außerhalb seiner Partei, als sei das Ende von Rot-Grün für ihn beschlossene Sache, früher oder später. Bis Clement und Rau bitten ließen. Die Vorgänger regierten ihm hinein. So was bekommt jeder mit, und das verringert seine Autorität obendrein.

Steinbrück verteidigt den „ergebnisoffenen Klärungsprozess“ damit, dass es gut sei, sich im Vorfeld anstehender Entscheidungen über viele Punkte zu einigen. Das ist im Grundsatz auch richtig. Nur muss er dann die Lage insgesamt richtig einschätzen und darf den politischen Partner nicht unterschätzen: Die SPD lehnt einen anderen Koalitionär als die Grünen ab, und die Grünen haben sich nicht zum Vertragsbruch provozieren lassen. Die Folge ist, dass Steinbrück den Gesinnungswandel, den er vorher seinem Bündnispartner abverlangte, auf Druck von außen nun selbst vollziehen muss. Zum Schluss musste er sogar über sein eigenes Papier noch verhandeln.

Es darf, nach diesem Klärungsprozess, jetzt keinen neuen Koalitionsstreit geben, weil er für den Ministerpräsidenten wie eine neue Niederlage wirkt. Und jede wird ihn weiter schwächen. Dabei kommt diese noch bestimmt: bei der Steuersenkung. Während die Union schon auf Kanzlerkurs einschwenkt, verharrt Steinbrück in Skepsis. Das wirkt, als verpasse er den politisch entscheidenden Wendepunkt auch in dieser Konfrontation.

Von einem „positiven Ende“ hat Steinbrück gestern gesprochen. Das Urteil werden sich die vielen, die jetzt rotsehen, merken. Denn bald haben sie in NRW ja wieder eine Wahl.

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