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Meinung: Rotkäppchens Rechenfehler

Die PDS würde Schröder wählen, um Stoiber zu verhindern – und riskiert damit Wählerstimmen

Von Gerd Appenzeller

Nun hat die PDS also gesagt, was mit ihr künftig geht und was nicht. Das gilt ab sofort – sofern gilt, dass das Wort der Parteivorsitzenden gilt. Ganz sicher ist das nicht. Gabi Zimmer will weder eine Koalition mit der SPD, noch ein Tolerierungsmodell. Aber Gerhard Schröder zum Kanzler wählen, ob dem das gefällt oder nicht, will sie schon. Um Edmund Stoiber zu verhindern.

Beim Fraktionsvorsitzenden der PDS im Bundestag, dem in der Partei alles andere als einflusslosen Roland Claus, las sich das in einem Tagesspiegel-Interview am 11. August noch anders. „Es macht keinen Sinn, einen Kanzler mitzuwählen, wenn man nicht regierungsbeteiligt ist“, hatte er trocken festgestellt.

Und was gilt denn nun? Auch das „Neue Deutschland“, das Parteiblatt der PDS, hilft da nur bedingt weiter. Das Blatt zitierte schon gestern aus einem Wahlkampfaufruf, der dem PDS-Vorstand vorgelegt werden sollte, und in dem klare Bedingungen für eine Unterstützung Schröders genannt wurden. Keine Zustimmung zu Kriegseinsätzen der Bundeswehr und zur Privatisierung sozialer Sicherungssysteme sei von der PDS zu erhalten, liest man da. Aber was ist das nun? Eine politische Bedingung an den sozialdemokratischen Kanzler, oder eine eher allgemeine Drohung, was die PDS über die Unterstützung bei der Kanzlerwahl hinaus nicht mitmachen wolle – die Grenze eines Tolerierungsmodells also?

Vor dem Abend des 22. September werden wir darauf keine Antwort bekommen. Wenn die meisten Meinungsumfragen von heute das Wahlergebnis tendenziell richtig prognostizieren, wird sich die Frage auch nicht stellen. Dann reichte es CDU/CSU und FDP zur absoluten Mehrheit der Mandate. Scheitert die PDS gar, steigt die Wahrscheinlichkeit einer schwarz-gelben Majorität noch. Dass aber eine PDS, wieder in den Bundestag gewählt, einen Kanzler Stoiber verhindern würde, wusste man schon vor der gestrigen Pressekonferenz. Ein Regierungsbündnis mit Hilfe der PDS lehnt Schröder ab. Dass er sich nicht gegen eine rote Wahlhilfe wehren kann, sollte die PDS sie ihm angedeihen lassen, ist nicht neu. Und dass er nicht direkt böse darüber wäre, kann man voraussetzen – besser mit den Stimmen der PDS gewählt, also ohne sie gescheitert.

Damit hat der Wahlkampf ein neues Thema. Die PDS argumentiert nun über den Gysi-Trennungsschmerz hinweg: Wer einen Kanzler Stoiber verhindern will, muss die PDS wählen. Im Osten könnte das Stimmen bringen, im Westen nicht. Die CDU wird dem entgegensetzen: Wer Rot-Rot-Grün verhindern will, muss die Union wählen und sie so stark machen, dass sie mit den Liberalen auf jeden Fall über eine sichere Mandatsmehrheit verfügt. Das bringt im Westen Stimmen, vielleicht – nicht aber im Osten.

Da in der alten Bundesrepublik jedoch fast vier mal so viele Wähler leben wie in den neuen Ländern, könnte es sein, dass die PDS sich verrechnet hat. Und das wäre dann nicht nur Pech für Gabi Zimmer, sondern auch – für Gerhard Schröder.

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