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Meinung: Rückenwind für kleine Entdecker

Die OECD hat Recht: Die Kinderbetreuung muss besser werden – vor allem im Westen

Rückenwind, das tut gut. Renate Schmidt spürt ihn jetzt, aber auch viele Erzieherinnen, Kleinkindpädagogen, Familienpolitiker und nicht zuletzt berufstätige Eltern, die seit Jahren genau dasselbe fordern wie die OECD in ihrer neuesten Studie: mehr und bessere Betreuungseinrichtungen mit längeren Öffnungszeiten, besonders in den alten Bundesländern und für Kinder unter drei Jahren; mehr Investitionen in den frühkindlichen Bereich und eine bessere Ausbildung für Erzieherinnen. Nichts davon ist neu. Aber es tut gut, all das auch mal aus anderem, internationalem Munde zu hören.

Ob sich dadurch irgendetwas verbessert, steht auf einem anderen Blatt. Die OECD lobt beispielsweise die ostdeutschen Bundesländer: Die hohe Dichte an Betreuungseinrichtungen und die langen Öffnungszeiten dort seien vorbildlich, ebenso der frühe Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Und sie fordert zu Recht, ihn schrittweise auf die alten Bundesländer auszudehnen: Jedes Kind ab zwölf Monaten sollte Anspruch auf einen Platz haben. Doch das ist Zukunftsmusik in den Ohren aller, die gerade das jämmerliche Gezerre der Kommunen um den Ausbau der Tagespflege miterleben.

Ähnliches gilt für die Ausbildung der Erzieher. Lange Zeit herrschte die Vorstellung, Erzieherinnen bräuchten vor allem ein gutes Herz. Das gute Herz ist wichtig, aber ein kluger Kopf und eine solide Fachkompetenz gehören dazu. In Deutschland reicht ein Realschulabschluss mit dreijähriger Fachschulausbildung, um als Erzieher zu arbeiten, in anderen europäischen Ländern wird ein Fachhochschul- oder Uni-Studium verlangt. Das wäre auch hier zu Lande wünschenswert, mit flexiblen Eingangsvoraussetzungen, um nicht potenzielle Erzieher etwa mit Migrantenhintergrund abzuschrecken.

Aber dazu wird es so schnell nicht kommen. Denn besser ausgebildete Erzieherinnen müssten langfristig auch besser bezahlt werden – und die Bereitschaft dazu ist nicht zu erkennen.

Viele gute Ansätze, wie man Kinder fördern und ihren Entdeckerdrang anregen kann, ohne sie zu überfordern, haben Eingang in die Bildungsprogramme der Bundesländer gefunden. Von naturwissenschaftlichen Experimenten über projektbetontes Lernen rund um Themen wie Wasser, Essen, Tiere bis hin zum lustbetonten Heranführen an Zahlen, Schrift oder eine Fremdsprache. Viele Erzieherinnen nutzen die Chancen, die ihnen das – sinnlichere, nicht in Fächer und Stunden aufgespaltene – Lernmilieu der Kitas bietet. Die OECD lobt sogar ausdrücklich das Bemühen, „Bildung, Betreuung und Erziehung“ zusammenzubringen. Aber die realen Bedingungen, unter denen Erzieher arbeiten, verschlechtern sich vielerorts eher.

Was für Migrantenkinder gilt, gilt genauso für deutschsprachige Kinder: Es ist nicht nur sozialer, frühzeitig zu fördern, es ist auch effizienter. Denn das kindliche Gehirn ist, so sagt es der Psychiatrieprofessor und Lernspezialist Manfred Spitzer, nichts weniger als „die beste Lernmaschine der Welt, Informationsstaubsauger und zudem Motivationskünstler“. Rückenwind tut gut, ja. Aber um vorwärts zu kommen, müsste Deutschland noch viele Schritte aus eigener Kraft tun.

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