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Meinung: Ruhe bewahren

Ein Verbot des Islamistenkongresses muss rechtsstaatlich begründbar sein

Von Frank Jansen

Die Aufregung ist gewaltig. Bundesinnenminister Otto Schily und sein niedersächsischer Amtskollege Uwe Schünemann fordern ultimativ, den für Anfang Oktober in Berlin geplanten Islamistenkongress zu verbieten. Die CDU in Berlin und Bund attackiert den sozialdemokratischen Innensenator Ehrhart Körting, weil er nicht längst ein Verbot ausgesprochen hat und angeblich zur Bedrohung durch „fundamentalistische und extremistische Islamisten“ schweigt. Die Wortwahl klingt übergeigt. Gibt es etwa nichtfundamentalistische Islamisten? Oder solche, die Extremisten sind, aber keine Fundamentalisten? Wer so fuchtelt, scheint Hysterie einer nüchternen Gefahrenanalyse vorzuziehen.

Vermutlich haben einige Kritiker des Innensenators eher die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen am kommenden Sonntag im Blick als den ominösen Kongress, der an den ersten drei Oktobertagen stattfinden soll. Angesichts der zu erwartenden Erfolge von DVU und NPD bei den Wahlen scheinen manche Christdemokraten nochmal „Law and Order“ propagieren zu wollen. Anders ist kaum zu erklären, dass der CDU-Minister Schünemann aus dem fernen Hannover lauthals Gefahren beschwört, die in Berlin selbst eher diffus erscheinen. Auch Schily hat offenbar der Neigung zum starken Auftritt nachgegeben. Obwohl der Bundesinnenminister gar nicht ausschließt, der Kongress könnte eine „Luftblase“ sein. Bei Verfassungsschutz und Polizei sind denn auch bislang keine alarmistischen Töne zu hören. Die Fachleute prüfen lieber die Fakten.

Und die sind dünn. Zu dem Kongress ruft eine Melange von Splittergrüppchen und Einzelpersonen auf, die eher dem panarabischen Spektrum als dem Islamismus zuzurechnen sind. Es ist auch nicht klar, ob jede Person, die in dem obskuren Aufruf im Internet genannt wird, überhaupt von ihrem „Glück“ weiß. Der als Nummer 29 genannte Jamal Karsli beispielsweise, der einst von Jürgen Möllemann hofierte ehemalige Grünen-Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag, will trotz seiner Abneigung gegen Israel mit dem Aufruf zum Kongress nichts zu tun haben. Ist da in Berlin ein Grüppchen am Werk, das Etikettenschwindel betreibt – und in Zeiten des Wahlkampfs und der leider berechtigten Terrorfurcht unnötig Aufmerksamkeit erfährt?

Berlins Innensenator macht es richtig. Körting bewahrt Ruhe und lässt die Experten in Verfassungsschutz und Polizei prüfen, was die Organisatoren des Kongresses bislang getrieben haben und nun planen. Sollte der Senator genügend Informationen zur Hand haben, die ein Verbot notwendig erscheinen lassen, wird er entsprechend handeln. Körting hat in der Vergangenheit mehrmals seine Bereitschaft demonstriert, Extremisten mit Härte zu begegnen. Aber sie war rechtsstaatlich begründet und muss es weiterhin sein. Wenn ein Senator drauflosverbietet und eine absehbare Niederlage beim Verwaltungsgericht provoziert, schädigt er das Ansehen des Rechtsstaats. Darüber können sich nur Extremisten freuen.

Es ist durchaus möglich, dass Polizei und Verfassungsschutz nach intensiver Prüfung in dem Aufruf zum Kongress und in den Biographien der Hintermänner dunkle Stellen finden, mit denen sich ein Verbot rechtfertigen lässt. Bedenklich erscheint schon, dass der Libanese Gabriel Daher, der den Kongress mitorganisiert, nicht bereit war, sich von Selbstmordanschlägen zu distanzieren; dass auf der Homepage sich üble Parolen finden. Andererseits reicht radikales Schwadronieren nicht aus, um einer Person oder Gruppe das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu verwehren. Sonst dürften in Berlin weder Neonazis marschieren noch Stalinisten am 1. Mai die Weltrevolution fordern oder Islamisten ein mittelalterliches Weltbild predigen. Die Stadt hält diese Extreme aus – solange die Behörden und die demokratische Mehrheit der Bevölkerung wachsam bleiben. Und gelassen.

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