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Meinung: Russland braucht Partner, keine Vasallen

Die EU darf sich nicht vor die Entscheidung Moskau oder Kiew stellen lassen Von Janusz Reiter

Russland hat sich selbst zur Jahreswende eine politische Niederlage erster Klasse beschert : das Ergebnis der ukrainischen Präsidentschaftswahl. Es ist eine Niederlage , die Russland nur sich selbst zu verdanken hat. Sein Fehler lag nicht darin, auf ein falsches Pferd gesetzt zu haben. So gesehen haben auch mehrere europäische Regierungschefs bei den amerikanischen Wahlen auf ein falsches Pferd , und zwar auf John Kerry, gesetzt.Wenige Monate später ist das zwischen Washington und den europäischen Hauptstädten kein nennenswertes Thema mehr. Russland hat vielmehr versucht, das ukrainische Pferd selber ans Ziel zu reiten.Das ließen sich die Ukrainer nicht gefallen.

So schnell wie die falsche Wahlprognose mancher Westeuropäer wird sich der russische Fehltritt in der Ukraine nicht vergessen lassen. Aus der Sicht vieler Ukrainer hat sich Russland gegen die nationalen Grundinteressen ihres Landes gestellt und nicht nur einfach einen falschen Kandidaten unterstützt. In den Augen vieler Russen wiederum ist das Wahlergebnis so schockierend, dass sie es sich nur als die Folge eines westlichen Komplotts erklären können. Mit starker polnischer Beteiligung, wie es sich von selbst versteht.

Man kann sich leicht vorstellen, dass der neue ukrainische Präsident alles tun wird, um die Spannung im Verhältnis zu Russland abzubauen, zumal er sich in der Rolle des Moskau-Herausforderers , in die ihn die Ereignisse versetzten,nicht ganz wohl fühlen dürfte. Will aber auch Russland eine Normalisierung mit Kiew, deren Bedingungen, nach allem, was geschehen ist, viel stärker von Partnerschaft geprägt sein müssten?

Präsident Putin ist Realist genug, um keine Konflikte zu provozieren , die den ukrainisch-russischen Gegensatz verschärfen. Ob er sich aber mit dem drohenden Einflussverlust in der Ukraine abfinden wird, darf bezweifelt werden. Vielmehr dürfte er versuchen, die russischen Interessen in diesem so genannten nahen Ausland langfristig zu sichern. Bleiben die Ukrainer trotzdem bei ihrem Bekenntnis zur Integration mit den westlichen Gemeinschaften, so wird das Land zu einem Streitthema im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen. Eine Konfrontation wie im Kalten Krieg brauchen wird nicht zu fürchten. Trotzdem wäre es besser, sich Kraftproben zu ersparen. Ist das möglich? Die Entscheidung liegt bei Russland. Moskau müsste vor allem illusionslos erkennen,warum die Ukrainer die Annäherung an den Westen suchen. Sie sind nicht dazu verführt worden.Vielmehr haben sie richtig erkannt, dass ein Erfolg der Reformen nur durch eine Öffnung zum Westen möglich ist. Der russische Einfluss wird stattdessen mit der Erhaltung der Rückständigkeit des Landes verbunden.

Dass die Mehrheit der Ukrainer sich so eindrucksvoll für Reformen ausgesprochen hat, verdient Anerkennung. Sie sind sich bewusst, dass sie nicht den einfachsten Weg gewählt haben. Dass viele von den Enthusiasten Zweifel bekommen, ist unvermeidlich. Die westliche Unterstützung kann das nicht verhindern. Sie kann aber die Gefahr begrenzen helfen. Wenn die Ukrainer frei und souverän eine wie auch immer verfasste Nähe zu Russland wählen, ist das ihre Sache. Wenn sie nach Osten abdriften, weil sie nicht die Kraft hatten, den erhofften Anschluss an den Westen zu erreichen, ist das ein Versagen – sowohl für die Reformkräfte im Land selbst als auch für ganz Europa.

Ein Erfolg der Reformen in der Ukraine liegt auch im russischen Interesse. Wird Moskau das akzeptieren? Ohne Zweifel ja, wenn die Tatsachen, also erfolgreiche Reformen, für sich sprechen. Diejenigen im Westen, die den Ukrainern beim Reformprozess helfen wollen, brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben. Sie dürfen sich auch vor kein falsches Dilemma stellen lassen: Man muss nicht zwischen Kiew und Moskau wählen.

Die Ukrainepolitik ist ein Glaubwürdigkeitstest für die EU.Sie hat ihn bisher gut bestanden. Aber der Test geht weiter. Auch im polnisch-deutschen Verhältnis steht manches auf dem Spiel.Wir brauchen eine sinnvolle Arbeitsteilung in der Ostpolitik. Diese kann aber nicht darauf beruhen, dass Deutschland die Rolle des Fürsprechers Russlands spielt, während Polen als der Anwalt der Ukraine auftritt. Berlin mag aus verschiedenen Gründen mehr russische Aktien kaufen,um es in der Börsensprache auszudrücken, während Polen bevorzugt ukrainische Papiere erwirbt. Am Ende muss aber allen klar sein, dass wir für einen gemeinsamen Investmentfonds, nämlich die EU, arbeiten.

Der Autor war von 1990 bis 1995 Botschafter Polens in Deutschland. Er leitet das Zentrum für Internationale Beziehungen in Warschau.

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