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Da hilft nur reden: Russlands Präsident Wladimir Putin

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Russland und die Ukraine: Warum wir mit Putin reden müssen

Manche im Westen möchten wegen der Krim-Krise den Dialog mit Russland abbrechen. Doch das wäre falsch. Denn Wladimir Putin geht es gar nicht um die Krim. Es geht ihm darum, was andere über Russland denken. Da hilft nur reden.

Von Caroline Fetscher

Auch das Verweigern von Dialog ist Kommunikation. Das weiß die Welt nicht erst seit Paul Watzlawicks berühmtem Axiom: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Irgend etwas mitgeteilt wird unter Lebenden immer – sprechend oder sprachlos, symmetrisch oder asymmetrisch, inhaltlich wie auf den Anderen bezogen.

Angesichts des russisch-ukrainischen Konflikts um die Halbinsel Krim streiten Beobachter im Westen über die Frage, wie die Reaktion auf Wladimir Putins offenkundige Dialogverweigerung aussehen sollte. Wer wie der russische Präsident Truppen in ein Nachbarland einsickern lässt, den abgesetzten Potentaten aus diesem Land beherbergt, Horrorstorys über die dortigen Nachbarn konstruiert und bei alledem das direkte Gespräch mit eben diesen Nachbarn verweigert, dem dürfe das nicht nachgesehen werden.

Zu den Vorschlägen, wie eine Lektion für den anderen aussehen könnte, gehören das Isolieren, das gezielte Exkludieren: Den nächsten G-8-Gipfel, der eigentlich im Sommer in Sotschi stattfinden soll, ohne Russland austragen, dem Kreml Sanktionen androhen und so weiter und so fort. In jedem Fall spiegeln solche Reaktionen ihrerseits die Dialogsperre des anderen, und das könnte hier sogar Teil der Strategie des Gegenübers sein. Wo alle Seiten im Konflikt das Gespräch verweigern, wird Gewalt nicht nur wahrscheinlicher, sie wirkt auch legitimer. Ist sie erst einmal eskaliert, wird wiederum das Gespräch umso unwahrscheinlicher, da die traumatischen Schocks lange Zeit brauchen, um verarbeitet zu werden. Unlängst hat der Uno-Sonderbeauftragte Lakhdar Brahimi das bei seinen Versuchen erlebt, zwischen Syriens zutiefst erbitterten Parteien zu vermitteln.

Klug ist Dialogabbruch so gut wie nie

Dialogabbruch kann viele Qualitäten aufweisen: resigniertes und gekränktes Schweigen, manipulatives, provokatives oder feindseliges. Das ist der kommunikative Aspekt. Und eine Absicht wird damit immer verfolgt. Das ist der strategische Aspekt. In sämtlichen Variationen bedeutet das Anschweigen dem Anderen: „Du bist es nicht wert, dass man mit dir spricht“, oder: „Es lohnt sich ohnehin nicht, mit dir zu sprechen“. Die abgewiesene diplomatische Depesche, der zurückgeschickte Brief, Ausladen und kalkuliertes Kränken des Anderen – das sind die Mittel dessen, der Ablehnung und Konflikt herausfordert, selbst da, wo einer beides zu verhindern hofft. Klug ist Dialogabbruch so gut wie nie.

So lange vor allem Kränkung, Zorn und Stolz die psychische Bühne dominieren, und die Gewalt noch keine Hauptrolle hat, ist die Chance auf konstruktiven Dialog da. Solange öffnen sich kreative Freiräume auch für politische Improvisation. Da lohnt der Blick ins „Harvard Negotiation Program“ ebenso wie die Frage nicht allein nach ökonomischen Interessen, sondern auch nach psychologischen Ursachen und Lösungsansätzen des Konflikts.

Oft geschieht Dialogverweigerung aus Angst vor den Argumenten des Anderen oder vor dem Verlust imaginierter Grandiosität – und sogar aus Scheu vor konstruktiven Lösungen, die notwendig das eigene, destruktive Anliegen vereiteln. Vor allem im feindseligen Schweigen zwischen Parteien entsteht ein spannungsgeladener Leerraum. Je länger das Gesprächsvakuum anhält, desto massiver kann es sich mit verzerrenden Fantasien über den Anderen füllen.

Putin geht es um überholte Repräsentationen der Macht

Schon mikropolitisch ist das bei zerrütteten Familien oder Partnerschaften zu erleben: Dämonisieren, Abwerten lässt sich immer am besten der, dem man den Dialog verweigert. Makropolitisch gilt das erst recht. Reagiert der Isolierte seinerseits wütend, löst das neue dysfunktionale Aktionen und Reaktionen aus. Auf der Krim geht es 2014 nicht um Existentielles wie Hunger oder Massenterror. Es geht nicht einmal um die Existenz der russischen Schwarzmeerflotte, deren Pachtvertrag noch auf Jahrzehnte hinaus gilt. Und der Autonomiestatus der Krim ließe sich ausbauen, ohne dass Blut vergossen wird.

Präsident Putin geht es um das Aufrechterhalten des Anscheins von überholten Repräsentationen der Macht. Es geht um das Eigenbild und Fremdbild Russlands, dessen Bevölkerung, sich, wie die Bevölkerungen der Nachbarländer, mehrheitlich national definiert und konstruiert. So grotesk man die emotionale Aufgeladenheit von Nationalismen finden mag, diesen aus dem 19. Jahrhundert stammenden, makropolitischen Pendants zu Fußballvereinen, so möglich ist es doch inzwischen für Europa und den übrigen Westen, damit reifer umzugehen als einst. Im Dialog.

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