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Eine verletzte Frau wird in Kiew medizinisch versorgt.

© dpa / Foto: Efrem Lukatsky/dpa

Russlands Terror gegen Zivilisten: Wladimir Putin gehört vor ein Kriegsverbrechertribunal

Die UN sollten nicht nur Beweise für die Verbrechen und die Täter sammeln, sondern es auch laut sagen – um die Komplizen des russischen Präsidenten abzuschrecken.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Zorn und Rachegelüste sind keine guten Ratgeber, schon gar nicht in einem Konflikt auf Leben und Tod. Überschießende Emotionen können zu gefährlichen Handlungen verleiten. Es ist gut, wenn nüchterne Geister Kosten und Nutzen potenzieller Reaktionen nüchtern abwägen, um eine Eskalation in noch tödlichere Kämpfe zu verhüten.

Doch auch im Krieg gibt es Situationen, wo das Herz klarer sieht als der Verstand. Es erfasst die Dimension eines Verbrechens unmittelbar. Der Kopf ist hingegen darauf trainiert, dem ersten Eindruck mit Zweifel zu begegnen. Das kann wie ein Schutzpanzer gegen die Wahrnehmung des Offensichtlichen wirken.

Zu den simplen Wahrheiten des Herzens zählt: Wladimir Putin ist ein Kriegsverbrecher. Er gehört vor ein Kriegsverbrechertribunal. Einerseits ist das klar, doch die Einwände sind vorhersehbar: Was bringt es schon, Putin zu dämonisieren? Und: Kommt der denn je vor Gericht?

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Terror gegen Zivilisten als Methode

Es hilft aber auch nichts, das Offenkundige zu verharmlosen. Im Kern zielt Putins Kriegsführung auf Terror gegen die Zivilbevölkerung. Das vergangene Wochenende lieferte erneut traurige Anschauung.

Bei einer Explosion auf der Brücke von Kertsch, die Russland über eine Meerenge hinweg mit der annektierten Krim verbindet, wurden mehrere Fahrbahnen zerstört – ob in Folge eines ukrainischen Angriffs oder russischen Schlendrians im Umgang mit explosivem Nachschub, ist noch nicht bewiesen.

Ausgebrannte Waggons auf dem beschädigten Teil der Brücke, die Russland mit der annektierten Krim verbindet.
Ausgebrannte Waggons auf dem beschädigten Teil der Brücke, die Russland mit der annektierten Krim verbindet.

© Foto: dpa

So oder so zählt die Brücke zu den Hauptnachschublinien für die russischen Truppen in der Südukraine. Sie wäre ein legitimes militärisches Ziel.

Putin beantwortete die Schäden an der Brücke mit Raketenangriffen auf zivile Ziele in mehreren ukrainischen Städten, darunter Wohngebäude und ein Park mit Kinderspielplatz in Kiew.

In Lemberg, hunderte Kilometer westlich der Front, wurden die Wasser- und Stromversorgung zerstört. In Saporischschja starben viele Menschen in ihren Wohngebäuden. Das alles verbietet das Kriegsvölkerrecht.

Zu Putins kapitalen Verbrechen zählen also nicht nur der unprovozierte Angriff auf die Ukraine und die Fortsetzung dieses völkerrechtswidrigen Kriegs seit siebeneinhalb Monaten. Jeden Tag kommen monströse Kriegsverbrechen hinzu – durch die menschenverachtenden Methoden, mit denen die russische Armee den Krieg führt. Sie tut dies auf Anweisung von ganz oben.

Lange Liste von Tatorten: Mariupol, Irpin,Butscha

Die russischen Kriegsverbrechen sind nicht ein trauriger Nebeneffekt der Kämpfe, weil im Schlachtgetümmel leider menschliche Irrtümer geschehen. Auch im Krieg gelten internationale Regeln zum Schutz der Zivilisten. Putin ignoriert sie gezielt. Sein Terror gegen die Zivilbevölkerung hat Methode.

Wladimir Putin möchte, dass der belarussische Machthaber Alexandr Lukaschenko seinen Krieg mit Truppen unterstützt.
Wladimir Putin möchte, dass der belarussische Machthaber Alexandr Lukaschenko seinen Krieg mit Truppen unterstützt.

© Foto: Gavriil Grigorov/imago

Die Welt hat das in Mariupol, in Irpin, in Butscha gesehen. Geburtsstationen werden beschossen, Wohnungen bombardiert, Passanten gefoltert, massakriert und in Massengräbern verscharrt. So verbrecherisch geht Putin nicht erst in der Ukraine vor. Auch die Kriege im Kaukasus und in Syrien hat er so geführt, inklusive des Einsatzes geächteter Waffen.

Wo bleibt der tägliche Aufschrei gegen Putins perverse Kriegsführung? Viele scheinen sie wie ein unabänderliches Schicksal hinzunehmen. So sei Putin eben, heißt es. Er habe die Eskalationsdominanz, und es sei klüger, darauf Rücksicht zu nehmen.

Aber ist diese Reaktion nicht gerade Putins Ziel: dass die Ukraine und der Westen sich selbst davon abschrecken, mehr zu tun, damit der Krieg möglichst schnell mit einer Niederlage Russlands endet?

Putin gehört vor ein Kriegsverbrechertribunal. Die Vereinten Nationen, aber auch einzelne Staaten sollten nicht nur kontinuierlich Beweise für die Verbrechen und die Helfershelfer sammeln; das tun sie bereits. Sondern sie sollten es auch laut sagen. Eine laute und glaubwürdige Strafandrohung kann Putins Komplizen vom Mittun abschrecken.

Gut möglich, dass es sich der belarussische Diktator Aleksandr Lukaschenko dann noch einmal überlegt, ob er Putins verbrecherischen Krieg mit eigenen Truppen unterstützt. Oder es besser lässt.

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