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S-Bahn und Berlin: Fahrdienst auf Bewährung

Berlin braucht die S-Bahn. Die Stadt braucht aber nicht unbedingt die Bahn AG für den Betrieb. Sie fährt auf Bewährung. Gelingt es ihr nicht, schnell zum erprobten System zurückzukehren, muss die Ausschreibung her.

Alles gut? Noch lange nicht. Die S-Bahn will zwar Fahrgäste für das Chaos der vergangenen Monate recht großzügig entschädigen, die Rückkehr zum Normalbetrieb kann das Unternehmen aber noch nicht garantieren. Dass Fahrgäste für weniger Leistung weniger zahlen müssen, ist selbstverständlich. In Kauf zu nehmen ist dabei, dass davon auch Kunden profitieren, die sonst gar nicht mit der S-Bahn fahren. Denn selbst das Benutzen von Bahnen und Bussen der BVG war in den vergangenen Monaten nicht immer spaßig, weil viele der früheren S-Bahn-Nutzer auf die BVG ausgewichen sind und deren Fahrzeuge zum Teil deshalb oft überfüllt waren.

Verständlich ist zudem, dass die Bahn keinen festen Termin nennt, zu dem die Züge wieder zu den üblichen Zeiten und mit der erforderlichen Zahl von Wagen unterwegs sein werden. Denn noch ist nicht klar, ob die S-Bahn ihren Fahrplan für die Rückkehr zum Normalbetrieb wirklich umsetzen kann. Dem Einbau der neuen Räder und Achsen muss das Eisenbahn-Bundesamt noch zustimmen, was aber keine Hürde sein dürfte. Die neuen Teile sollen schließlich verlässlicher funktionieren als die alten.

Dass die Bahn beim Austausch vorerst die Kosten übernimmt und erst hinterher versucht, sich mit dem Hersteller finanziell zu einigen, ist dagegen nicht ganz so selbstverständlich. Doch hier hat die Bahn ein eigenes Interesse an einer schnellen Lösung. Sie weiß, dass sie den Fahrgästen schnellstmöglich wieder einen normalen Betrieb bieten muss, um Vertrauen – und Reputation – zurückzugewinnen. Und deshalb müssen die neuen Räder ruck-zuck eingebaut werden, koste es zunächst, was es wolle.

Die Bahn hat zudem keine Zeit, weil der Senat in einem Jahr entscheiden will, ob mit dem Ring und den Süd-Ost-Strecken zunächst ein Teil des S-Bahn-Betriebs ausgeschrieben wird, und die Bahn dann womöglich diesen Auftrag verliert. Das will der Konzern unbedingt vermeiden; der Prestigeverlust ausgerechnet in der Hauptstadt, in der auch die Bahn-Zentrale sitzt, wäre zu groß. Deshalb muss die Bahn in den nächsten Monaten zeigen, dass sie eben doch in der Lage ist, wieder wie früher einen vernünftigen Betrieb anzubieten. Das Misstrauen sei aber noch groß, sagt der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. Und da hat er recht.

Noch konzentriert sich die Bahn nur darauf, die S-Bahn wieder zum Fahren zu bringen. Doch die Weichen, die die Züge Richtung Prellbock schickten, sind nicht umgestellt. Noch hat Bahn-Chef Rüdiger Grube nicht versprochen, dass die S-Bahn, sollte sie wieder mit Gewinn fahren, nicht erneut finanziell ausgepresst wird wie in der Vergangenheit. Sparorgien beim Personal und in den Werkstätten haben schließlich den Niedergang wesentlich mitverursacht. Das Chaos entstand nicht nur durch falsch dimensionierte Achsen und Räder.

Ohne die Sparvorgaben des Konzerns wäre die S-Bahn gewiss immer noch weltweit ein Vorbild. Dass die Kosten aus dem Desaster jetzt die Gewinne der vergangenen Jahre übersteigen dürften, sollte auch dem Vorstand eine Lehre sein, Vorgaben nicht zu überziehen und der S-Bahn eine größere Selbstständigkeit zu geben.

Und wenn die Bahn sicher ist, dass sie irgendwann 2011 wieder den normalen Betrieb anbieten kann, gibt es für sie auch keinen Grund, den bis 2017 geltenden Verkehrsvertrag mit dem Senat anzupassen, wie es das Land will.

Bisher weigert sich die Bahn aber, auf eine Begrenzung beim Kürzen der Landeszuschüsse für den Fall zu verzichten, dass die S-Bahn die vereinbarte Qualität nicht erbringt. Und selbst die Zahl der einzusetzenden Wagen will sich die Bahn nicht vorschreiben lassen. Wer von seinem Produkt überzeugt ist, kann sich jedoch auf diese Änderungen selbstverständlich einlassen – und so ein bisschen Vertrauen zurückgewinnen. Seht her, wir trauen es uns zu, wäre die Botschaft.

Berlin braucht die S-Bahn. Die Stadt braucht aber nicht unbedingt die Bahn AG für den Betrieb. Sie fährt auf Bewährung. Gelingt es ihr nicht, schnell zum erprobten System zurückzukehren, muss die Ausschreibung her. Auch das sollte selbstverständlich sein.

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