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Meinung: Saddams Waffe ist der Spaltpilz Der Irak liefert Kriegsgegnern und -befürwortern Argumente

Im Drehbuch des angekündigten Irak-Krieges ist eine Rolle doppelt besetzt: die des Rechthabers. Saddam lässt schwere Planierraupen über seine Raketen rumpeln, und jetzt lässt er auch noch VX- und Milzbrand-Reste entdecken.

Im Drehbuch des angekündigten Irak-Krieges ist eine Rolle doppelt besetzt: die des Rechthabers. Saddam lässt schwere Planierraupen über seine Raketen rumpeln, und jetzt lässt er auch noch VX- und Milzbrand-Reste entdecken. Es wundert nicht, dass sich nun ein jeder bestätigt sieht. Die Inspektionsverlängerer rufen: Da seht ihr es, ihr Kriegstreiber, das Wühlen wirkt! Wir finden doch, wonach wir suchen! Ohne Krieg! Nicht minder bestärkt sehen sich die Invasionsbefürworter. Die fragen zurück: Wollt ihr euch von diesem weiteren Täuschungsmanöver in letzter Sekunde tatsächlich blenden lassen? Ist es wirklich überraschend, dass Saddam pünktlich zum Ablauf des Blix-Ultimatums seine Raketen, die es angeblich nie gab, verschrotten und seine B- und C-Waffen, die es angeblich nie gab, finden lässt?

Gute Argumente haben beide. Dass das, was Saddam nun tut, sich so nahtlos in die Position sowohl der Kriegsgegner wie der -befürworter einbauen lässt, dürfte das Kalkül Bagdads sein. Der Spaltpilz wächst. Da ist es immerhin gut, dass sich offiziell alle zurückhalten. Die Amerikaner mit ihrer Skepsis, die Alteuropäer mit ihrer Freude.

Schließlich wissen beide, dass die endlose Spirale aus Druck und Entwaffnung, der sich Saddam nun also erneut ein klein wenig gebeugt hat, weder etwas mit purem Friedenswillen noch mit blindwütiger Kriegsversessenheit zu tun hat. Das Raketenzerbaggern wie das Dokumentefinden belegen nämlich jenseits aller Rechthaberei nur das Funktionieren einer zweigleisigen Strategie. Saddam muss an beides glauben: an letzte Schlupflöcher, die ihm vielleicht doch noch bleiben, und an die überzeugende Drohung mit Gewalt, so er sich nicht beugt.

Nur leider ist das Doppelspiel mit Zuckerbrot und Peitsche im Irak-Drehbuch nicht doppelt, sondern streng verteilt besetzt. Washington ist mit London für den glaubwürdigen militärischen Druck zuständig, Berlin mit Paris und Moskau für das Zureden. Den Westen in Personalunion, der zugleich droht und Wege eröffnet, den gibt es nicht. Sicher ist daher nur eins: Die Uneinigkeit ist ein politisches Kapital, aus dem Saddam noch Zinsen einheimsen will. Jedes Einlenken vertieft die Spaltung seiner Gegner. Denn die einen sehen das Einlenken, die anderen den Zwang, der es erst möglich machte. Und so sorgt Saddam dafür, dass die Kernfrage unbeantwortet bleibt: Wie viel Zwang ist nötig?

N 1, 2 UND 6

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