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Meinung: Samstags gehört Vati mir! – Aber warum nur samstags?

Familienpolitik heißt, die Männer zu fordern und zu fördern Von Daniel Dettling

Warum ist Deutschland weltweites Schlusslicht bei der Geburtenzahl? Es liegt an den Männern. Ihr Kinderwunsch geht stärker zurück. Nach der neuen Studie des Instituts für Bevölkerungsforschung ist es jeder Vierte unter 40, der keine Kinder will. Generell, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) herausgefunden, findet sich unter den nach 1940 geborenen Männern in allen Altersgruppen ein höherer Anteil an Kinderlosen als bei den Frauen.

Für die Zeugungsangst der Männer gibt es viele Gründe. Arbeitslosigkeit, unsichere Erwerbsverläufe oder das Fehlen einer „biologischen Uhr“. Männer schieben eine Vaterschaft deutlich länger auf als Frauen und holen sie dann doch nicht nach. Für Männer kommen Kinder erst dann in Frage, wenn sie sich eine Familie ökonomisch leisten können. Und dann haben sie meist keine Zeit mehr, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Nur die Minderheit von Selbstständigen und Beamten kann die nötige Zeitsouveränität aufbringen, um Leben und Familie zu vereinbaren. Sichere Jobs sind für die große Mehrheit der unter 35Jährigen Mangelware. Die Krise der Erwerbsverläufe wird zum Demografie-Fiasko der Männer. Wo die Arbeitsmärkte dicht und statisch und die Universitäten so behäbig und leistungsfeindlich sind wie in Deutschland, bleiben Kinderwünsche unerfüllt. Ein starrer Arbeitsmarkt, zu lange Ausbildungszeiten und verfestigte Familienbilder lassen die Geburtenrate immer tiefer sinken.

Mehr Geld oder bessere Betreuung sind die Instrumente, mit denen die Parteien dagegenhalten. Deutschland gibt aber bereits heute das meiste Geld für Familienpolitik aus. Auf die Geburtenzahl haben diese Transfers aber kaum eine Auswirkung. Eine bessere Betreuung ist ebenfalls kein demografisches Allheilmittel. In Berlin und den neuen Ländern bekommen die Menschen auch nicht mehr Kinder. Die politische Lehre ist eine andere und eindeutig: Deutschland bekommt dann mehr Kinder, wenn es mehr und anders arbeitet – und nicht weniger und immer weiter so. Wo das Leben flexibler verläuft, muss die Politik reagieren. „Work longer, get more babys“, hat der britische „Economist“ Europas Slogan für das Jahrhundert der Demografie gefordert. Länger arbeiten und mehr Kinder bekommen ist vereinbar, wenn die sozialen Sicherungssysteme demografiegerecht umgebaut werden. Der deutsche Sozialstaat lässt sich aber heute auf den Generationen-Nenner bringen „Alle Sicherheit den Alten, alle Unsicherheit den Jungen!“ Die Folgen des Wandels der Arbeitsgesellschaft und der Globalisierung treffen vor allem die Berufseinsteiger. Kaum noch jemand bekommt einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Viele Hochqualifizierte bringen sich mit Praktika oder prekären Jobs durch. Es sind vor allem die Männer, die mit diesem Wandel nicht klarkommen und sich aus Angst vor der Zukunft gegen Kinder entscheiden.

Wer Menschen nach Dienstalter bezahlt und nicht nach Leistung, wer den Jungen mehr Überstunden abverlangt als den Älteren und Familie und Kinder für Privatsache hält, muss sich über Kinderlosigkeit nicht wundern. Politik, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften tragen die Hauptschuld an der demografischen Katastrophe. Genauer: die vielen Männer-Bündnisse für Arbeit, die zu immer weniger Arbeitsplätzen und Geburten geführt haben. Zukunft hat in Deutschland wenig Lobby.

Überfällig ist eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Risiken und Chancen, Unsicherheiten und Garantien neu verteilt. 35-Stunden- Woche? Für erziehende Eltern ja, für alle nein. Die Rente ist sicher? Ja, für die mit Kindern. Für Kinderlose reicht die Hälfte. Unbefristete Arbeitsverträge? Bekommt, wer sich für Beruf und (!) Kinder entscheidet.

Familienpolitik neu definieren heißt, die Männer anzusprechen, zu fordern und zu fördern. Eine zeitgemäße Politik für Kinder richtet sich an Mütter und Väter. „Samstags gehört Vati mir“, stand auf einem Plakat der Gewerkschaften, als in den 70er Jahren um die 35-Stunden-Woche gestritten wurde. Warum eigentlich nur samstags?

Der Autor ist 1971 geboren und leitet den Think Tank berlinpolis. Zuletzt erschienen: „Weißbuch Bildung“ (VS Verlag, Wiesbaden).

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