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Meinung: Schachspieler ohne Brett

Roger Boyes, The Times

Gegrillte Aubergine, Lamm, eine Schale Granatapfelsamen. Vergangene Woche aß ich mit einem Terroristen zu Abend, und es hat mir gut geschmeckt. Mansur Vojoud hat sich nicht im Restaurant in die Luft gesprengt, warum auch? Der Perser ist ein zufriedener Mann mit Familie und einem Ingenieurbüro in Wilmersdorf. Nein, es war alles ganz ungefährlich. Der einzig bedrohliche Moment entstand, als ich das Khayyan-Restaurant verließ und mich ein arktischer Wind angriff, der die Potsdamer Straße herunterfegte.

Mansurs Exilgruppe, die Volksmudschahedin, steht auf der Terrorliste der EU, obwohl die ungefähr so gefährlich ist wie Yvonne Catterfeld. Das führt dazu, dass viele Iraner, die in Berlin leben, versehrte Leben leben. Der 33-jährige Fußballspieler Ali Akbar Hosseini kam vor acht Jahren nach Berlin und stellte einen Asylantrag. Jetzt läuft seine Duldung aus, weil er ein Sympathisant der Volksmudschahedin ist. Er kann nicht bleiben. Er kann aber auch nicht in den Iran zurück. Also verbringt er jede Nacht in einer anderen Wohnung. Ali setzt sich zu uns, während wir bei den Granatäpfeln sind, und schiebt seine Tasche unter den Tisch. Ein junger Mann in der Schwebe.

Warum tun wir das Menschen an, die friedlich gegen ein Regime kämpfen, das den Holocaust leugnet und Witze darüber macht? Ein Regime, das offensichtlich eine Atombombe bauen will, deren einzig logisches Ziel Israel ist? Berlin ist voll von Geschichten wie die von Ali. Emigrantengeschichten, wegen ständiger Wiederholung bisweilen etwas ermüdend, aber gleichwohl glaubwürdig: jene Frau zum Beispiel, die zwölf Jahren in einem iranischen Gefängnis saß. Einmal, sagt sie, konnte sie in einer Nacht vom Hof 350 einzelne Schüsse hören: 350 Exekutionen. Heute zuckt sie zusammen, wenn sie auf dem Weg zum Penny-Markt die Fehlzündung eines Autos hört.

In Berlin leben etwa 10 000 Iraner, und nicht allen ist es in der Vergangenheit so schlecht ergangen. Einige sind alt genug, um sich an ihren Protest gegen den Schahbesuch 1967 zu erinnern, an jene Demo, bei der Benno Ohnesorg starb. Obwohl Berlin ein Zufluchtsort für iranische Dissidenten geworden ist, bekamen die Monarchisten nach der Revolution hier nie ein Bein an Deck. Die gingen lieber nach Los Angeles. In den 70er Jahren schickte der Schah seine fiesen Savak-Agenten nach Berlin, damit sie die Iraner ausspionieren. Als der Schah gestürzt wurde, übernahmen die Mullahs die Agenten. Die kamen zurück in die Stadt, bauten irgendwelche Import-Export-Firmen auf und berichteten nach Teheran. Eine glückliche Gemeinschaft sieht anders aus.

Iraner haben ein Sprachentalent, sie sind elegante Dichter, großartige Schachspieler, und, wenn die Behörden sie lassen, gedeihen sie: Einige der besten Zahnärzte und Architekten in Berlin stammen aus Iran. Wenn sie Familie haben, ist die Versuchung für sie sehr groß, sich aus der Politik herauszuhalten: zwar Musik von Sängern abspielen, die in Iran wegen ihrer Liebeslieder verboten sind, aber all die Demos vermeiden, die so verräterisch schnell vor dem Auswärtigen Amt organisiert werden, wenn wieder einmal ein Minister von der iranischen Bombe redet. In Wahrheit gibt es jedoch kein Entkommen von der Politik. Krieg droht, und der wäre auch für die Emigranten eine Katastrophe.

„Beschwichtigungspolitik führt fast ausnahmslos zum Krieg“, sagt Mansur, und alle am Tisch nicken zustimmend. Die Volksmudschahedin wurden 2002 auf ausdrücklichen Wunsch der iranischen Regierung auf die EU-Terrorliste gesetzt, einer Regierung, die von Anfang an Oppositionelle ins Exil schickt oder umbringt. Die EU ließ sich täuschen: dass der Westen die „Moderaten“ und Reformer“ in Teheran dadurch unterstützen würde, dass er ihnen das Leben leicht macht. Das ist leider seit Jahrzehnten der Schwachpunkt der deutschen Politik gegenüber Russland, China und den Polizeistaaten auf der ganzen Welt. Es gibt keine „Moderaten“ unter den iranischen Führern: Die abstoßende antisemitische Stimme von Präsident Ahmadinedschad ist die authentische Stimme der Mullahs – kein unglücklicher Ausrutscher. Iran will verhindern, dass die 120 000 Iraner in Deutschland sich gegen das Regime stellen. Berlin (und ganz besonders Rot-Grün) haben bei dieser Einschüchterungspolitik geholfen.

Es wäre ein Einfaches, die Gruppe von der Terrorliste zu streichen. Wir sollten das sofort tun, den Namen streichen und diesen Exilanten so Luft zum Atmen verschaffen. „Ich träume“, sagt Mansur, „von dem großen blauen Himmel Persiens.“

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