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Meinung: Schlechte Zeiten für junge Kunden

Wir betrachten die Dinge mit jungen und alten Augen

Lieber Hellmuth Karasek,

am Freitag rief mich meine Mutter von ihrem brandneuen Handy an – „Habe Verspätung, melde mich, wenn ich vor Hamburg bin“ – und ratterte verspätet aber entspannt ihrem – okay – ebenfalls verspäteten 65. Geburtstagswochenende entgegen. „Ich brauch’ kein Handy, kann doch das vom Papa benutzen“ hat sie immer gesagt. Der guckte meine Schwester und mich dann an, als wollte er sagen, krass die Alte, versteht uns Jungen einfach nicht. Sein eigener anfänglicher Widerstand – Alzheimer. Mittlerweile telefoniert er wie der Teufel. Meine Mutter hat in der Bahn „Brigitte Woman“ gelesen, die Zeitschrift für die reifere Frau? die Frau über 40? die Seniorin, Handy-Spätbesitzerin? und versteht nicht, warum sie nur alle paar Monate rauskommt. Und sie hat gelesen, die Serie „Samt & Seide“ wackelt, weil sie zwar super viele Zuschauer hat, aber die Falschen: die krassen Alten, für die sich Werbung nicht mehr lohnt. Wir haben dann in Hamburg viel für mich gekauft.

Liebe Kerstin Kohlenberg, Woody Allen, von dem ich unglückseligerweise weiß, dass er ziemlich exakt genauso alt ist wie ich (ich habe mit meiner Frau zusammen „Manhattan“ übersetzt, als wir uns so jung wie er fühlten), hat einen neuen Film gemacht, „Anything Else“ heißt das Ding. Der Verleih bemüht sich verzweifelt, die Werbung auf Jason Biggs abzustellen, den jungen Serienhelden von „American Pie“. „American Pie“ ist so schwachsinnig und erfolgreich wie in Deutschland „GZSZ“, Werbung für junge Leute. Wenn ich auf die „Tagesschau“ oder „Heute“ warte, bekomme ich die Altenwerbung als volle Kanne: Magnesium, damit ich gelenkig bleibe, Haftcreme für die Dritten und den Treppensteiger-Lift für die sympathisch-arthritische ältere Dame. Was ist dagegen zu sagen, außer dass Werbung und Produkte für Alte genauso ätzend sind wie für junge Kunden. Da wir immer mehr werden, werden in der TV-Werbung, wohl oder übel, immer mehr auch uns bewerben müssen. Dabei färben wir unsere Haare nicht! Obwohl wir graue Panther sind! Ihr Hellmuth Karasek

Ihre Kerstin Kohlenberg

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