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Meinung: Schleierhafte Argumente Von Malte Lehming

Vor einigen Tagen nannte Alice Schwarzer, bekannt aus Funk und Fernsehen, das Kopftuch die „Flagge des Islamismus“ und verglich es mit dem Judenstern. Das Kopftuch wie der Ganzkörperschleier, sagte sie, „sind eine schwere Behinderung und Einschränkung für die Bewegung“.

Vor einigen Tagen nannte Alice Schwarzer, bekannt aus Funk und Fernsehen, das Kopftuch die „Flagge des Islamismus“ und verglich es mit dem Judenstern. Das Kopftuch wie der Ganzkörperschleier, sagte sie, „sind eine schwere Behinderung und Einschränkung für die Bewegung“. Deshalb müssten sie in Schule und Kindergarten strikt verboten werden. Zufällig fast zeitgleich feierte der Bikini seinen 60. Geburtstag. Er ist gewissermaßen das Gegenteil zur Verschleierung, zumindest ermöglicht er eine große Bewegungsfreiheit. In der Logik der Feministin müsste er also zum Pflichtkleidungsstück gemacht werden. Was zeigt: Die Debatte über das Kopftuch hat hysterische, teils groteske Züge angenommen.

Am Freitag gab das Verwaltungsgericht Stuttgart einer Lehrerin Recht, die gegen das Kopftuchverbot in Baden-Württemberg geklagt hatte. Nonnen in Ordenstracht dürfen in dem Bundesland unterrichten. Das aber sei ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, urteilten die Richter. Der Spruch leitet hoffentlich eine Wende ein. Denn es wird langsam beschämend fürs Land, wie oft Selbstverständlichkeiten wiederholt werden müssen: Jeder Mensch wird frei geboren, er hat das Recht, sich zu kleiden, wie er will, und eine Religion anzunehmen. Er darf orthodoxer Jude werden, sich den Amish anschließen oder zum Islam konvertieren. Und er darf seine Gesinnung zeigen. Wer ihm dieses Recht beschneiden will, braucht gute Gründe. Er muss nachweisen, dass etwa der Schulfriede an sich und die Neutralität der Einrichtung durch das Tragen eines Kopftuches gefährdet sind, oder dass die Schutzbefohlenen dadurch indoktriniert werden. Überdies muss er alle Religionen und Bekenntnisse gleich behandeln. In der kommenden Woche tagt bei Angela Merkel der Integrationsgipfel. Eine Neubesinnung auf unsere Freiheiten täte allen Teilnehmern gut.

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