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Meinung: „Schluss mit der Heuchelei“

Du darfst deinen Patienten am Ende nicht im Stich lassen“, sagt Denis Labayle. Als leitender Arzt an einem Krankenhaus in Evry im Süden von Paris hat der Spezialist für Darmkrankheiten viele Menschen leiden sehen.

Du darfst deinen Patienten am Ende nicht im Stich lassen“, sagt Denis Labayle. Als leitender Arzt an einem Krankenhaus in Evry im Süden von Paris hat der Spezialist für Darmkrankheiten viele Menschen leiden sehen. Unter ihnen waren manche, denen im Endstadium ihrer Erkrankung nicht mehr zu helfen war und denen er die einzige Hilfe, die sie noch erwarteten, verwehren musste, weil es das Gesetz verbietet. Und dann hat er sich doch entschieden zu handeln – wie viele andere auch. „Angesichts des physischen und psychischen Leidens, das dem Patienten das Leben unerträglich machte, und der Tatsache, dass die Patienten ihr Leben zu beenden wünschten, haben wir ihnen im Einklang mit unserem Gewissen mit Medikamenten geholfen, in Würde zu sterben“, heißt es in einem Manifest, in dem sich 2134 französische Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger jetzt öffentlich dazu bekannten, aktive Sterbehilfe geleistet zu haben.

Im vergangenen Herbst hatte Labayle die Initiative zu dem Aufruf ergriffen. Der Text zirkulierte in Kollegenkreisen, bis er die nötige Zahl von Unterschriften fand und am Donnerstag als „Appell der zweitausend“ von der Wochenzeitung „Le Nouvel Observateur“ publiziert wurde. Neben der Aufhebung des Verbots der in Frankreich Euthanasie genannten aktiven Sterbehilfe fordern die Unterzeichner die Einstellung aller in diesem Zusammenhang laufenden Strafverfahren sowie die Bereitstellung von Mitteln, um Patienten das Sterben zu erleichtern.

Das Manifest lenkt die Aufmerksamkeit auf einen Prozess vor dem Schwurgericht in Périgeux in Westfrankreich, in dem sich nächste Woche ein Arzt und eine Krankenschwester wegen „Vergiftung“ verantworten müssen. Sie hatten 2003 einer an Krebs im Endstadium leidenden Patientin auf deren Wunsch eine tödliche Substanz verabreicht. Ihnen drohen Gefängnisstrafen bis zu 30 Jahren. „Was sie getan haben, haben wir doch alle getan“, sagt Labayle.

Seit einer Reform von 2005 ist unter strikten Voraussetzungen geleistete passive Sterbehilfe nicht mehr strafbar. Aktive Sterbehilfe gilt aber weiter als Verbrechen. Dass sie praktiziert wird, ist kein Geheimnis. „Wir müssen den Zustand der Heuchelei beenden“, fordert Labayle. Die ersten Reaktionen haben ihn „positiv überrascht“. Sowohl Nicolas Sarkozy, der Kandidat der Regierungspartei UMP, als auch die Sozialistin Ségolène Royal kündigten neue Reformen an.

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