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Meinung: Schluss mit lustig

Die FDP will ihren Bundesparteitag möglichst geräuschlos über die Bühne bringen

Von Robert Birnbaum

Lange nichts mehr gehört von der FDP? Stimmt, lange nichts mehr gehört. Bei allen anderen Parteien würde derlei zeitweises Verstummen Anlass zur Besorgnis geben. Bei den Freien Demokraten ist auch dieses anders. Die Stille ist ein Lebenszeichen. Klar, sie haben den Blues. Ihnen ist nicht nach Hurra. Aber sie leben noch.

Das klingt selbstverständlicher, als es ist. Die Liberalen haben, wenn sie sich Ende der Woche zum Bundesparteitag in Bremen treffen, eine Führungs- und Richtungskrise erlebt, die mit dem Namen „Möllemann“ nur ansatzweise beschrieben ist. Zu dramaturgischen Zwecken ist das Problem meist als Zweikampf zwischen Parteichef Guido Westerwelle und seinem Ex-Vize dargestellt worden. Aber es ging tiefer. Man kann das schon daran sehen, dass es mit Möllemanns Abgang nicht gelöst ist.

Man erkennt es auch daran, dass sich Westerwelle nichts dringlicher wünscht, als dass der Bundesparteitag möglichst geräuschlos über die Bühne in Bremen gehen möge – also genau das Gegenteil dessen, was wir von der FDP in den zurückliegenden Jahren erwarten durften. Der Spaß ist vorbei. Und was kommt jetzt?

Die Wahrheit ist, dass das die FDP selbst noch nicht weiß. Guido Westerwelle hält der Form halber das Projekt 18 hoch, also die Idee, dass die Freien Demokraten zur dritten, kleineren Volkspartei prädestiniert seien. Er tut das sogar besonders lautstark, weil die Alternative, das Zurück zur kleinen Honoratiorenpartei, sich historisch überlebt hat. Außerdem hat der Parteichef seine gesamte politische Biografie dem Kampf gegen die ehemalige „Partei der Besserverdienenden“ gewidmet.

Daran ist immerhin so viel richtig, dass auch die beiden Wahlen der Nach-Möllemann-Zeit, in Hessen und Niedersachsen, für die FDP ein Erfolg waren. Zudem hat die Partei in den letzten zwei Jahren 14 000 neue Mitglieder gewonnen, wie Generalsekretärin Pieper stolz vermerkt. Ums Überleben muss die FDP vorerst nicht fürchten, ihr Parteichef um das seine seither auch nicht mehr. In Bremen wird er bei der Vorstandswahl gestraft werden. Wählen werden sie ihn trotzdem.

Aber damit ist es nicht getan. Dass die FDP je noch einmal Fähnchen mit der Zahl „18“ darauf schwenkt, ist unvorstellbar. Das Projekt braucht also mindestens einen neuen Namen, eigentlich aber auch ein neues Ziel. Denn das Möllemannsche Projekt lautete „Wachstum durch Populismus“. Dieser Populismus war keineswegs beschränkt auf das üble Spiel mit Antisemitismen. Aber er ist durch dieses Spiel diskreditiert. Auch dieser Spaß ist vorbei. Die FDP muss ernster werden. Das fällt ihr vielleicht am schwersten, denn eine gewisse Vorliebe für Krawall ist der Partei ja noch in ihren honorigsten Repräsentanten zu Eigen.

Aber nicht nur das spielerische Element der „Strategie 18“ ist perdu. Auch ein zweiter Kernbestandteil ist nicht ohne weiteres in die Gegenwart hinüberzuretten. Das ist die so genannte „Unabhängigkeitsstrategie“. Zu den bislang noch wenig beachteten Nebeneffekten von Jürgen W. Möllemanns Abgang gehört es nämlich, dass der Partei seither jemand fehlt, der Nähe zur SPD als Koalitionsmöglichkeit repräsentiert. Das Rheinland-Pfälzer Bündnis unter dem Ministerpräsidenten Kurt Beck ist eine viel zu gemütlich-gutbürgerliche Veranstaltung, als dass ihre Vertreter diese Rolle übernehmen könnten.

Hinzu kommt, dass die bundespolitische Gefechtslage ein rot-gelbes Bündnis noch weniger plausibel erscheinen lässt, als es in der letzten Legislaturperiode war. Erstens reicht es diesmal nicht für eine rot-gelbe Mehrheit. Zweitens und wichtiger noch: Das Problem für Gerhard Schröders Reformversuche ist erkennbar nicht der Partner, die Grünen, sondern seine eigene SPD.

Aus alledem ergibt sich eine Perspektive für die FDP, die nicht mehr berauschend im Wortsinne ist, dafür aber realistisch. Bis zur nächsten Bundestagswahl 2006 dürften sich die Liberalen in etwa auf heutigem Niveau stabilisieren, mit einzelnen Ausschlägen nach oben oder nach unten – insbesondere bei den nächsten Landtagswahlen in Ostdeutschland. Eine Regierungsperspektive in Berlin wird sich vermutlich weit eher an der Seite der Union als der SPD ergeben.

Parteichef Westerwelle wird davon nicht reden, aber darauf hinarbeiten. Mit der Wahl eines Bundespräsidenten zum Beispiel ist schon einmal ein Machtwechsel eingeleitet worden. Man wird von der FDP demnächst also wieder öfter hören.

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