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Meinung: Schmerzen am Rückgrat

Wie lange ist Peer Steinbrück noch NRW-Ministerpräsident?

Ganz oben und ganz unten – das ist Peer Steinbrück. Ein Jahr im Amt als Ministerpräsident, das heißt: Er ist die Nummer eins im bevölkerungsreichsten Bundesland, in Nordrhein-Westfalen, und wird im Bund gehört. NRW gehört ja für sich gesehen zu den größten Industrienationen der Welt, ebenbürtig mit Schwarzenegger-Land. Aber in den Umfragen ist Steinbrück ganz unten, mit der Partei und persönlich: Die stolze SPD, Jahrzehnte unangefochten, Rückgrat der Bundespartei, verliert stark, liegt nur noch bei 31 Prozent. Und den Regierungschef halten 45 Prozent für ungeeignet.

Das Bundesland steckt in einer tiefen Krise. Dabei werkelt Steinbrück wuchtig, sprich: provoziert zum Umbau, um Reformen einleiten zu können, aber dringt nicht durch. Und es reicht nicht, weder für das Land noch für ihn. Nordrhein-Westfalen heute: als Industriestandort zweite Wahl, als Wissenschaftsstandort auch. Neue Autowerke kommen nach Sachsen und Thüringen, die Elektronikfirmen gehen nach Bayern, der Flughafen München hängt Düsseldorf ab. Und die Forscher ziehen hinterher. Das Land ist auf dem Weg zum Mittelmaß.

Steinbrück, „Peer, der Schreckliche“, wie er zwischendurch schon einmal genannt wurde, trifft daran nicht alle Schuld. Ein Jahr erst ist er im Amt! Auch hat er vorher schon vor der Entwicklung gewarnt; denn mit Zahlen, Daten, Defiziten kann der Finanzfachmann umgehen. Darin ist er der beste Technokrat der SPD seit Bundesfinanzminister Helmut Schmidt. Er hat sich auch Respekt in Berlin und der Bundespartei mit dem Konzept zum Subventionsabbau verschafft; gemeinsam vorgelegt mit dem hessischen CDU-Kollegen Roland Koch. Aber das politische Gedächtnis ist kurz, und darum muss er die Schuld alleine tragen.

Erstens signalisieren jüngste Steuerschätzungen weitere Rückgänge bei den Einnahmen. Neue Schulden sind kaum mehr abzuwenden. Zweitens befindet sich die SPD, die nichts mehr zu verteilen hat, auf der Suche nach ihrer verlorenen Identität. Zu Tausenden sind ihr die Mitglieder davongelaufen. Soziale Gerechtigkeit ist das Stichwort, das da jetzt Steinbrück zugerufen, vorgeworfen wird. Jeder Ratschlag wird für ihn zum Schlag: Dass der Regierungschef stärker auf die kleinen Leute Rücksicht nehmen soll, weil die Einsparungen nur als gerecht empfinden, wenn sie alle treffen, sagt die Fraktion – als hätte Steinbrück darüber nicht nachgedacht.

Die CDU in der Opposition kann sich freuen. Sie steigt Prozentpunkt um Prozentpunkt, inzwischen sind es 47. Schon die Kommunalwahlen 2004 werden für die SPD entscheidend. Und Peer Steinbrück hat kein Jahr mehr, um sich nach oben zu arbeiten.

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