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Schnapsidee: Richteranordnung von Blutproben muss bleiben

Bürgerrechte auch für Alkoholsünder: Es ist Zeit, einen Vorbehalt anzumelden. Und zwar gegen die Abschaffung eines Vorbehalts.

Konkret: der Regelung, dass ein Richter die Entnahme von Blutproben bei Alkoholsündern am Steuer anordnen muss. Der Bundesrat will diesen sogenannten Richtervorbehalt kippen. Man kann in der Entscheidung durchaus eine schleichende Entwicklung erkennen – den Vorrang des Verwaltungspragmatismus gegenüber dem prinzipiellen Schutz von Bürgerrechten.

Natürlich kann man verstehen, dass Polizisten gerne schnell eine Blutprobe entnehmen wollen, wenn sie Alkoholsünder im Straßenverkehr ertappt haben. Erst einen Richter einschalten zu müssen, ist eine Umständlichkeit, die in der Praxis bereits jetzt ständig umgangen wird. Ist das eigenständige Handeln von Polizei und Staatsanwaltschaft im Gefahrenfall durchaus vorgesehen, so ist diese Ausnahme mittlerweile wohl zur Regel geworden. Und die Richterschaft, deren Bereitschaftsdienste nachts und am Wochenende nicht zuletzt wegen des Richtervorbehalts bestehen, hat damit offenbar kein Problem.

Doch hat das oberste Gericht in Karlsruhe 2007 und 2010 in aller Klarheit deutlich gemacht, dass es den Richtervorbehalt auch im Falle der zwangsweisen Blutentnahme für wesentlich hält, denn es ist nun einmal ein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Die Richter gingen sogar so weit, die Blutentnahme mit der Wohnungsdurchsuchung gleichzustellen. Auch diese muss ein Richter absegnen, denn im Rechtsstaat soll das exekutive Handeln von Ermittlungsbehörden, soweit es in Grundrechte eingreift, von der kontrollierenden Instanz des Richters abgesegnet werden. Jedenfalls in der Regel.

Und nun will eine Bundesratsmehrheit die Ausnahme zur Regel machen und das Anordnen der Blutprobe der Polizei und den Staatsanwälten allein überlassen. Auch wenn man die pragmatische Begründung nachvollziehen kann, bleibt doch die Tatsache bestehen, dass die Politik eine ihr und den staatlichen Exekutivorganen unbequeme Rechtslage mal eben dadurch beseitigen will, dass sie einfach das Gesetz ändert. Obwohl es sich um ein Grundrechtsthema handelt – und Grundrechte gelten auch für Alkoholsünder im Straßenverkehr, auch für die rabiatere Sorte unter ihnen. Unwillkürlich stellt sich die Frage, wo als Nächstes gehobelt oder gesägt wird, wenn dies nun so kommt.

Aber der Bundesrat hat nicht das letzte Wort. Jetzt sind Bundesregierung und Bundestag gefragt, ob sie den Ländervorstoß aufnehmen. Und damit auch die beiden Verfassungsminister. Teilt Innenminister Thomas de Maizière die Position der meisten seiner Länderkollegen? Und was sagt die liberale Justizministerin? Es geht um die Klärung von zwei Fragen: Wie geht man mit Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts um, wenn sie einem nicht gefallen? Und was ist ranghöher: Verwaltungspragmatismus oder Prinzipientreue bei Grundrechten? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war bislang eher für Letzteres bekannt.

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