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Schreiber-Urteil: Das Ende der Aufklärung

Rüstungslobbyist Karlheinz Schreiber wurde verurteilt – seine Praktiken leben weiter.

Er ist ein Original, menschlich gesehen. Ein Einzelfall ist der deutsch-kanadische Rüstungslobbyist Karlheinz Schreiber aber nicht, politisch und wirtschaftlich gesehen. Darauf wies auch der Richter hin, der den 76-Jährigen am Mittwoch für acht Jahre ins Gefängnis schickte. Die Botschaft des Urteils: Schreibers Taten mögen Jahrzehnte zurückliegen, an Aktualität haben sie nichts verloren.

All das, wofür der joviale Selfmade-Multimillionär bekannt ist und wofür er zumindest teilweise verurteilt wurde, ist gerade in der von Schreiber gewählten hochsensiblen Grauzone von Rüstungswirtschaft und Politik bis heute gang und gäbe. Bestechung und andere Spielarten der Korruption sind im globalen Waffen- und Militärfahrzeughandel, in dem Deutschland einer der führenden Exporteure ist, nach wie vor eher die Regel als die Ausnahme. Da wird „geschmiert auf Teufel komm raus“, wie Schreibers Richter salopp feststellte. Raffgier und Maßlosigkeit seien die Triebkräfte. So habe ein namhafter deutscher Konzern, dem auch Schreiber als Lobbyist gedient hatte, gerade erst U-Boote für Unsummen ans bankrotte Griechenland verkauft – „völlig am Bedarf vorbei und nur um der Geschäftemacherei willen“.

Auch ist es – gut zehn Jahre, nachdem durch die Ermittlungen gegen den großzügigen Parteispender Schreiber die CDU-Spendenaffäre ausgelöst wurde – bis heute ein selbstverständlicher Vorgang in der deutschen Politik, dass Parteien Zahlungen von Unternehmen annehmen, von denen klar ist, dass sie sich damit Einflussnahme erhoffen. Und dass Steuerhinterziehung – jenes Delikt, das Schreiber letztlich hinter Gitter brachte – in unserem Land nach wie vor kein Ausnahmetatbestand ist, muss kaum extra erwähnt werden.

So gesehen müsste das Urteil eigentlich ein Startsignal für mehr Transparenz und Aufklärung sein. Bundesregierung und Justiz könnten es als Appell verstehen, die undurchsichtigen globalen Aktivitäten deutscher Rüstungsschmieden stärker unter die Lupe zu nehmen. Auch der Diskurs über strengere Regeln für wirtschaftlich und politisch motivierte Parteispenden darf sich nicht in Absichtserklärungen erschöpfen.

Und es müsste ein größeres Problembewusstsein geben, wenn ehemalige Parlamentarier, Regierungsmitarbeiter oder Bundeswehroffiziere nach kurzer staatlicher Karriere eine neue, meist deutlich besser dotierte Aufgabe bei einem der einschlägigen Konzerne finden und damit die Grenzen zwischen staatlichen Interessen und denen der Rüstungsindustrie aufweichen. Stattdessen sieht es eher so aus, als ob das Ende des Schreiber-Prozesses auch das Ende der Aufklärung bedeutet.

Ja, einiges hat sich zum Besseren gewandelt. Der Druck der Öffentlichkeit ist heute größer als in den 70er und 80er Jahren. Die strengere Veröffentlichungspflicht, die wir heute bei der Parteienfinanzierung haben, ist eben auch Affären wie der um Schreiber und die Unionsparteien geschuldet. Dennoch sind immer noch – offiziell und ganz legal – Spenden in Größenordnungen an Parteien erlaubt, von denen es schwer zu glauben ist, dass sie ganz ohne Hintergedanken getätigt wurden.

Schreiber ist nun endgültig kaltgestellt. Die „Spezies“ aber, wie der Richter süffisant sagte, der der Straftäter angehörte und die „jeden und alles schmiert“, dieser Spezies geht es weiterhin prächtig.

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