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Meinung: Schröder handelt fast wie Bush

Der Kanzler fragt zu wenig nach den Interessen der Partner Von Christoph Bertram

Die Aufregung in der vergangenen Woche über seine Münchener Rede wird dem Kanzler durchaus gefallen haben. Zwar war wenig professionell wie seine Anregung zur Erneuerung der atlantischen Partnerschaft in die Welt gesetzt wurde. Aber auch die diesbezüglichen Kritiker, von den Gralshütern der NatoOrthodoxie abgesehen, haben ihm Recht gegeben: Die Strukturen und Verfahren, in denen Europa und Amerika ihr Verhältnis betreiben, müssen reformiert werden, weil sie nicht mehr den Veränderungen entsprechen, die in den letzten Jahren im strategischen Umfeld und in den Beziehungen zueinander eingetreten sind.

Damit hat Gerhard Schroeder zwar nicht der von George Bush und seinem Team verbreiteten atlantischen Harmonie, aber dem notwendigen atlantischen Neubeginn einen Dienst erwiesen. Der Kanzler kann sich zudem als Regierungschef eines Landes bestätigt sehen, der auf Augenhöhe mit den Chefs anderer großer Staaten verkehrt – auch dies ein Grund zu schröderscher Zufriedenheit.

Allerdings hat die Art und Weise, wie der Vorschlag in die Welt gesetzt wurde, wieder einmal gezeigt: Die Grundregel, dass große Staaten dann am einflussreichsten sind, wenn sie andere einbeziehen, bevor sie loslegen, ist in den Berliner Köpfen immer noch nicht angekommen. So war es, als Schröder einen ständigen Sitz im Uno-Sicherheitsrat einforderte, so ist es leider auch diesmal wieder gewesen. Anstatt vor der Ankündigung europäische Partner zu Teilhabern des deutschen Vorhabens zu machen, prescht Berlin vor – fast wie sonst George Bush.

So richtig die jüngste Initiative des Kanzlers ist, so sehr hätte sie an Durchschlagskraft gewonnen, wenn sie von Deutschland als europäische Initiative vorbereitet und betrieben worden wäre. Und wenn die Zeit für solche Konsultationen nicht reichte, hätten die Mitarbeiter im Kanzleramt wichtige Partner wenigstens vorab in Kenntnis setzen müssen. Darauf ist offenbar niemand gekommen.

Anstelle der Partner wurde eine am Veranstaltungsort ansässige Zeitung ins Vertrauen gezogen, als ginge es um innenpolitische Taktik, nicht außenpolitische Strategie. Das mag passen, wenn Bundesregierungen, wie so oft, sich darauf beschränken, Außenpolitik als Reaktion auf die Initiativen anderer zu betreiben. Aber wenn Berlin nicht nur die Rolle einer europäischen Führungsmacht spielen, sondern sie tatsächlich ausfüllen will, werden seine Politiker und Beamten wieder lernen müssen, was deutschen Regierungen einmal selbstverständlich war: dass ihre Außenpolitik nur erfolgreich sein kann, wenn unsere Partner die eigenen Interessen darin wiederfinden können.

Schröders Vorschlag auf eine europäische Interessen-Koalition zu gründen, wäre nicht allzu schwer gewesen. Dass Amerika die Nato lassen möchte, wie sie ist, und die europäischen Verbündeten einbinden, ohne selbst an Handlungsflexibilität einzubüßen, das ist durchaus verständlich. Den europäischen Regierungen dagegen muss daran liegen, diese Flexibilität durch stärkere Konsultationspflichten der USA einzuschränken und die atlantischen Strukturen und Verfahren dem gewachsenen Gewicht der EU anzupassen.

Der Kanzler hat angekündigt, seinen Vorschlag, zu diesem Zweck eine hochrangige Experten-Gruppe einzusetzen, im Gespräch mit Bush zu erläutern. Hoffentlich wird die kühle amerikanische Reaktion auf seine Rede ihn davon nicht abbringen. Und hoffentlich wird seine Regierung aus der Münchner Erfahrung lernen, wie man vorgehen muss, wenn der Kanzler das nächste Mal dem Westen den Weg weisen will.

Der Autor ist Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, die Regierung und Parlament berät.

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