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Streiten über Feminismus: Alice Schwarzer und Kristina Schröder.

© dpa

Schröder und Schwarzer: Lassen Sie mich durch, ich bin Feministin!

Familienministerin Kristina Schröder verpasst dem Feminismus Schläge. Alice Schwarzer versucht zu retten, was nicht zu retten ist und bricht sich das Genick. Die Medien stehen im Weg rum. Zeit, die Debatte zu ordnen und auf neuere Entwicklungen zu verweisen.

Eine Freundin des Feminismus ist sie nicht gerade, Familien- und Frauenministerin Kristina Schröder. Auch von Geschlechtergerechtigkeit scheint sie wenig zu halten: Statt vielfältige Lebensentwürfe für alle zu ermöglichen, betreibt die Ministerin eine punktuell-einseitige Jungen- und Familienpolitik.

Trotzdem hätte das Echo auf ihre neuerlichen Äußerungen zum Thema Feminismus nicht gewaltiger ausfallen können. Feministin Alice Schwarzer ließ es sich auch nicht nehmen, gebührend auf Schröder zu antworten, was die Diskussion weiter anheizte: Während die eine Feminismus als unzeitgemäß und radikal abkanzelte, verlor sich die andere in rassistischen Tiraden gegen Muslime. Kein Wunder, wenn da nicht mehr alle durchstiegen, und sich der eine oder die andere hämisch-grinsend über den vermeintlichen "Sex-Krieg" (so titelte natürlich die "Bild") aus der Diskussion herauszog. Am Ende können wir also notieren: Viel Lärm um nichts. Oder etwa doch?

Bedauerlicherweise übersehen Medien, Schröder, Schwarzer und die zu Recht belustigten Beobachter und Beobachterinnen dieser Pseudodebatte nicht nur die feministischen Entwicklungen der vergangenen 30 Jahre und ihre Errungenschaften für die heutige Gleichstellung und Geschlechterpolitik. Es werden auch all die Menschen unter den Tisch gekehrt, die diese Entwicklungen angestoßen und begleitet haben. 

Feminismus in Teilen zu kritisieren, ist kein Tabubruch, sondern notwendiges Korrektiv. Konstruktive Kritik an sozialen Bewegungen ist allerdings wenig hilfreich, solange sie sich aus überheblich vorgetragenem Alltagswissen speist. Zu einer ausgewogenen Debatte gehört es, sich mit den Erkenntnissen feministischer und Gender-Theorie auseinanderzusetzen und die Stimmen von Menschen zu hören, die sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen. Das ist vielleicht ein bisschen mühsam, ein akademischer Abschluss ist dafür aber nicht notwendig, sondern lediglich ein Internetzugang.

Denn im Netz füllen unzählige Menschen unzählige Blogs und Webseiten mit aktuellen Entwicklungen, Debatten und Nachrichten rund um das Thema Geschlecht, vermitteln verklausulierte Theorie verständlich und lassen Personen zu Wort kommen, die für mehr Gleichheit zwischen Mann und Frau (und allen anderen Geschlechtern) kämpfen. Entgegen einiger Befürchtungen und Berührungsängste tummeln sich hier keine Männerhasserinnen oder Feinde der heteronormativen Kleinfamilie, wie uns Schröder glauben machen will. Im Gegenteil: Ziel ist es, an einer freiheitlicheren und gleichberechtigteren Gesellschaft mitzuwirken, die frei ist von Sexismus und Geschlechterzwängen.

Selbstredend ist dieser Tage der Schröder-Schwarzer-Zirkus und die Presselandschaft als sein Dompteur einschlägiges Top-Thema auch im Internet. Wer allerdings nur vorbeischaut, um sich beim Abgesang auf die "deutsche Ur-Feministin" (Zitat bei "Spiegel Online") noch die letzten Sitzplätze und Freigetränke zu sichern, kommt leider ein paar Jahre zu spät.

Nadine Lantzsch ist Mitautorin des feministischen Weblogs maedchenmannschaft.net.

Nadine Lantzsch

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