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Meinung: Schröder verliert in Österreich

Schüssels ÖVP hat die Wahl mit einer Kampagne gegen Rot-Grün gewonnen

Der prominenteste Wahlhelfer des alten und neuen Wiener Kanzlers war ein Mann, den der gar nicht leiden kann: Gerhard Schröder. Wolfgang Schüssel ist zwar mit Sicherheit weder der charismatischste noch der sympathischste Politiker seines Landes, aber er ist ein Mann mit enorm hoher politischer Intelligenz.

Mit Eiseskälte hatte Schüssel im Frühjahr 2000 den internationalen Aufschrei gegen seine Koalition mit der FPÖ ausgesessen, hatte schweigend zugesehen, als sich die FPÖ unter Anleitung ihres Ex-Parteichefs Jörg Haider selbst entleibt hat; er hatte die FPÖ aus der Regierung geschmissen, als seine eigenen Umfragewerte nach oben zeigten, und im am Sonntag zu Ende gegangenen Wahlkampf hat er endgültig gezeigt, dass kaum einer den Österreicher als solchen besser versteht als das Bürgerkind aus dem mondänen Wiener Stadtteil Hietzing. Denn das lernen wir aus Schüssels historischem Wahlsieg: Die Österreicher sind mehrheitlich strukturkonservativ, wollen väterliches Lob für ihre Leistungen und haben vor allem vor einem Angst: vor Experimenten. Genau auf dieses Gefühlsgemenge hatte Schüssel im Wahlkampf gesetzt. Immer wieder betonte er, dass es um die Wirtschaft im Lande gar nicht so schlecht stehe, wie die Herausforderer meinten. Wer Recht hat, sei dahingestellt, was die Österreicher lieber hören, zeigte sich am Wahlsonntag. Und in Sachen Experimente wurde ein Mann zum unfreiwilligen Wahlhelfer, den Schüssel noch weniger leiden mag als den ehemaligen Bundesbank-Chef Hans Tietmeyer, den er mal als „richtige Sau“ bezeichnet hatte: der Berliner Kanzler Gerhard Schröder.

Landauf, landab zeichneten Schüssels Parteifreunde das Schreckgespenst einer rot-grünen Regierung nach Berliner Vorbild. Die deutschen Schlagzeilen über das Berliner Sparpaket wurden in den vergangenen Wochen auch in Österreich gelesen, und für alle, die doch keine ausländischen Zeitungen lesen, schaltete Schüssels ÖVP in den wichtigsten Medien des Landes eine Anzeige, auf der ein Zigarre-schmauchender Schröder zu sehen war. Nein, so einen wollten die Österreicher wirklich nicht. Dass eine rot-grüne Mehrheit in Österreich schon seit knapp einem Monat ziemlich unwahrscheinlich war, spielte im Wahlkampf ebenso wenig eine Rolle wie die Position der gewichtigsten Wiener Sozialdemokraten, die sich rot-grün in Österreich ohnehin nicht vorstellen konnten. Anders als in Deutschland ist der Realo-Flügel bei den Wiener Grünen nur sehr fragmentarisch vorhanden, und der Fundi-Flügel ist bei den Roten noch verhasster als bei den Christdemokraten.

Das Schreckensszenario der Schüssel-Truppe wirkte dennoch, allen verzweifelten Dementis des SPÖ-Spitzenkandidaten Alfred Gusenbauer zum Trotz. Und glaubt man den Wahlforschern, dann war das rot-grüne Schreckgespenst am Sonntag sogar für viele SPÖ-Sympathisanten ein Motiv, ihr Kreuz diesmal bei Wolfgang Schüssel zu machen. Denn egal ob ihnen Schüssel sympathisch ist oder nicht, er ist vor allem eines: kein Experiment. Und das ist den Österreichern offenbar wichtiger als alles andere.

Markus Huber

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