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Schulanfang in Berlin: Erste Klasse, zweite Klasse

Das Silvesterfeuerwerk hat nicht geholfen. Wenn Berlins Bildungssenator gehofft hatte, dass das Geknalle zumindest einige böse Geister aus seinem Schulwesen vertreiben würde, hat er sich geirrt. Der Unmut über das jahrgangsübergreifende Lernen wächst.

Das neue Jahr fängt genauso missmutig und skeptisch an, wie das alte aufgehört hatte. Wenn sich heute nach den langen Weihnachtsferien die Schultüren wieder öffnen, mögen da zwar viele ausgeschlafene oder auch Skipisten-gebräunte Gesichter auftauchen. Aber die Erholung wird nicht lange anhalten, denn die alten ungelösten Probleme lauern in jedem Winkel.

Besonders ungemütlich droht die Lage vor allem deshalb zu werden, weil sich der aufgestaute Ärger über Arbeitsüberlastung und Raumnot in einem aktuellen Reizthema bündelt – in der Jahrgangsmischung an den Grundschulen. Immer größer wird die Zahl derer, die sich der Zusammenlegung von Erst- und Zweitklässlern entziehen wollen.

Die Verweigerer argumentieren meist nicht gegen die Reform an sich. Vielmehr sehen sie ein, dass es Sinn macht, mit Lernanfängern flexibel umzugehen. Wer kaum Deutsch spricht, kann für den Stoff der ersten beiden Klassen drei Jahre brauchen, wer schon lesen kann, vielleicht nur ein Jahr. Dem wird man leichter gerecht, wenn man jedem Kind das anbietet, was gerade seinem Können entspricht. Das kann bedeuten, dass ein aufgeweckter Erstklässler schon bald die Aufgaben der Zweitklässler lösen wird, oder dass ein Zweitklässler nochmals in Ruhe mit den Erstklässlern wiederholt, was er nicht beherrscht. Andererseits kann er diesen Erstklässlern dabei helfen, sich im Schulalltag zurechtzufinden.

So weit, so gut. Wenn da nicht die vielen Schönheitsfehler bei den Rahmenbedingungen wären. Der größte: Viele Lehrer beherrschen noch nicht die Methode, wissen nicht, wie man den Unterricht und das Lernmaterial für derart heterogene Gruppen vorbereitet. Viele wollen es auch nicht mehr wissen, weil sie auf die 60 zugehen. Natürlich versuchen gute Schulleiter, gezielt die jungen oder jung gebliebenen und reformfreudigen Kollegen einzusetzen. Aber sobald einer von ihnen ausfällt, bricht das ganze Kartenhaus zusammen, das wegen der hohen Krankenrate ohnehin schon bedenklich wackelt.

Hinzu kommen die Raumprobleme. Eigentlich müssten die Schulen Rückzugsräume haben für die ganz Kleinen. Oder für die Verhaltensauffälligen. Oder für die Hochbegabten, die an einem ganz anderen Thema arbeiten wollen. Wohin mit ihnen?

Schon schlägt die erste Schule vor, weniger Erstklässler aufzunehmen, um Platz zu gewinnen. Das klingt gut, aber wo sollen die abgewiesenen Kinder bleiben? So ein Vorgehen wird die Ressentiments der Eltern gegen die Reform noch mehr schüren.

Und auch schon jetzt sehen viele Eltern die Jahrgangsmischung skeptisch. Auch das spricht dafür, die verbindliche Einführung zu hinterfragen. Mit „Augen zu und durch“ kommt der Senat nicht weiter, wenn Eltern und Lehrer an einem Strang ziehen.

Das weiß niemand besser als der Bildungssenator. Schließlich türmen sich bei ihm die Briefe der Unzufriedenen. Auf dem Grund dieses Stapels liegen die Schreiben vom Jahreswechsel 2006/07. Damals hatten die Lehrer Überlastungsanzeigen geschrieben. Auch dieses Problem hatten die Silvesterknaller nicht verjagen können. Jetzt holt es den Senator wieder ein – als Protest gegen die Jahrgangsmischung.

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