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Schuldenkrise: Griechenlands Wirtschaft braucht Anschluss an die Moderne

Für Griechenland kann sich kaum alles zum Guten wenden, meint Carsten Brönstrup. Entscheidend helfen kann nur noch ein Aufbauprogramm wie nach der deutschen Wiedervereinigung.

Immerhin: Griechenland ist bald nur noch Ramsch, nicht mehr Super- Ramsch. Die Ratingagentur Standard & Poor’s will dem bankrotten Land eine bessere Bonität bescheinigen, nachdem es den geforderten Einschnitten endlich zugestimmt und Aussichten auf ein neues Rettungspaket hat. Das ist mal ein Fortschritt – bisher kannten die Ratings nur eine Richtung: nach unten.

Doch vieles spricht dafür, dass Standard & Poor’s einmal mehr falsch liegt. Denn es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sich für Athen nun alles zum Guten wendet. Dem Publikum sind die Darbietungen der vergangenen zwei Jahre bereits vertraut. Erst lassen sich Politik und Straße Reformen abtrotzen, um dann doch alle Zusagen versanden zu lassen. Bis wieder das Geld fehlt und neue Bittbriefe in Berlin, Paris und Brüssel eintreffen. Der Tragödie x-ter Teil.

Dabei handeln die Griechen absolut rational. Sie wissen: Ein echtes Druckmittel haben ihre Geldgeber nicht. Trotz aller Drohungen kann die Euro-Zone Athen nicht fallen lassen. Das wäre zu riskant, politisch wie ökonomisch. Zwar haben die Europäer Rettungsschirme aufgespannt, und ihre Banken haben toxische Griechen-Papiere aussortiert. Doch niemand kann garantieren, dass eine Pleite Italien, Spanien und Portugal nicht doch in die Tiefe zöge. Selbst ein auf Griechenland beschränkter Bankrott würde ein Chaos auslösen, mit stürzenden Banken, ausbleibenden Renten und Sozialtransfers. Und Deutschland wäre der Buhmann.

Das Tauziehen um die Rettungsmilliarden war deshalb nichts als Mummenschanz. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy mussten ihren Wählern zeigen, dass sie sich auf den Umgang mit Zuckerbrot und Peitsche verstehen. Lucas Papademos gab derweil den Helden, der gegen die schlimmsten Zumutungen kämpft.

Die Lage des Landes zeigt, dass diese Taktik nicht aufgeht. Trotz der Milliarden, die Europa überweist und die Zentralbank druckt, trotz aller Sparpakete und Steuererhöhungen geht die Rezession ins fünfte Jahr. Dass Athen die Austeritätspolitik eine Dekade lang durchhält, glaubt niemand. Und unklar ist, woher neue Dynamik kommen soll. Der Staat und die Bürger fallen als Wachstumstreiber aus, die Exportfirmen haben außer Oliven und Feta nicht viel zu bieten. Die Industrie leistet pro Kopf weniger als im Agrarland Mecklenburg-Vorpommern.

Nur ein viel tieferer Schuldenschnitt als der jetzt geplante wird Griechenland wieder eine Perspektive geben. Es reicht nicht, die Schuldenquote von 170 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken. Ökonomen sagen, Wachstum könne sich nur bis zu einer Schuldenmarke von etwa 90 Prozent entfalten. Das bedeutet, dass neben privaten Gläubigern auch Staaten und die Notenbank auf ihr Geld verzichten müssen.

Gelingen wird die Sanierung des Landes aber nur, wenn die rückständige Wirtschaft den Anschluss an die Moderne findet. Dazu ist ein Aufbauprogramm wie nach der deutschen Wiedervereinigung nötig, das ausländisches Investitionskapital ins Land holt. Den Euro-Ländern ist hier bislang nur eingefallen, die Griechen Sonnenstrom produzieren zu lassen, also eine Technik zu nutzen, die vor allem hohe Subventionen verlangt.

Ein solcher Marshallplan samt Entschuldung wird viel kosten, gerade die Bundesrepublik, und er wird erst nach Jahren wirken. Die Deutschen kennen sich damit aus. Auch sie mussten erst investieren, bevor in der wirtschaftlichen Ödnis von Dresden, Leipzig oder Potsdam eine neue Ära anbrechen konnte.

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