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Ist die FDP, längst nur noch Schatten ihrer selbst, als Regierungspartei immer noch tragfähig?

© dpa

Schwarz-Gelb: Die FDP soll weiter regieren, aber anders

Ganz Europa bangt um die Stabilität des Euro. Und in Deutschland regiert mit der FDP eine Partei mit, die sich selbst an den Rand ihrer politischen Existenz gebracht hat. Jetzt Neuwahlen zu fordern, wäre trotzdem voreilig.

So viel Nähe zum Abgrund war selten. Die Bundesregierung, in Atem gehalten von der Operation der Euro-Rettung, steht verlässlich nur noch auf einem, dem Unionsbein. Ihr Partner, ohnedies nur noch ein Schatten seiner selbst, ist so schwach, dass er vom doktrinären Mutwillen eines Hinterbank-Rebellen an den Rand seiner politischen Existenz gebracht werden kann. Und der Herr im Schloss Bellevue, mit Mühe dort von der Koalition etabliert, verspielt das bisschen Renommee, das er gerade dabei war anzusammeln. Ist es da nicht konsequent, die Frage zu stellen, die aufs Ganze der Misere zielt: Warum nicht Neuwahlen?

Tatsächlich kann man sich nicht an der Einsicht vorbeidrücken, dass die schwarz-gelbe Koalition – zurückhaltend ausgedrückt – weit jenseits des Anspruchs operiert, mit dem sie vor gut zwei Jahren angetreten war. Auch verfügt sie im Parlament zwar noch über die Mehrheit, die sie an die Macht brachte. Aber die steht in einem grotesken Unverhältnis zu ihrem Ansehen in der Öffentlichkeit. Vor allem ist es der Sinkflug der FDP, der an ihr zehrt. Er hat die Partei auf den tiefsten Punkt ihrer Nachkriegsgeschichte gebracht. Angesichts dessen ist der Wunsch verständlich, die Politik in der Bundesrepublik neu zu gewichten, neu zu legitimieren.

Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, was Neuwahlen bedeuten. Selbst wenn man annimmt, dass die Politik einträchtig zu dem Schluss käme, dem gegenwärtigen Zustand müsse ein Ende gemacht werden, um einen neuen Anfang zu wagen, muss man die Prozedur einer Parlamentsauflösung in Rechnung stellen. Denn man kann natürlich die institutionellen Schikanen überwinden, die das Grundgesetz errichtet – siehe Schröder 2005, siehe Kohl 1982 – , aber nur um den Preis der peinlichen verfassungspolitischen Fassadenkletterei, bei der die Mehrheit Minderheit spielen und der Bundespräsident gute Miene zum gezinkten Spiel machen muss. Was da umgangen werden muss, sind übrigens nicht nur papierne Formalien: Es ist das Regelwerk, mit dessen Weisheit wir gut gefahren sind. Man sollte es gerade in Zeiten hochhalten, in denen darüber geklagt wird, dass das politische System überall an Halt verliert.

Und dann gibt es noch das Ringen um die Restabilisierung Europas, bei der die Bundesrepublik – ob sie will oder nicht – eine Hauptrolle spielt. Doch die sich gegenwärtig in dramatischen Formen vollziehende praktische Europäisierung Europas, die uns die Finanz- und Währungskrise aufgezwungen hat, bestimmt die Themen und Prioritäten der politischen Agenda neu. Wollen wir uns wirklich in einer Situation, in der Europa vor der schwierigsten Herausforderung seiner Geschichte steht, in eine Bundestagsauflösung stürzen? Die Souveränitätsopfer, die der Kitt Europas sind und die Essenz der Verteidigung von EU und Euro, schlagen auch durch auf die Handlungsmöglichkeiten der deutschen Innenpolitik.

Es gibt also gute Gründe, weshalb nicht Neuwahlen des Desasters Lösung sind. Umso mehr sind politische Fantasie und Ausdauer gefragt. Und was die FDP angeht: Ist denn ausgeschlossen, dass viele Wähler, die der Westerwelle-Partei das traumhafte Ergebnis verschafft haben, auch den Beitrag der Genscher-, Lambsdorff- und Scheel-Partei zur FDP mitgewählt haben? Man muss deshalb nicht gleich die Senioren-Group der FDP aktivieren. Vielleicht genügte es, sich an ihrem Beispiel zu orientieren und auf sie zu hören.

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