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Schwarz-Gelb – wohin?: Sehnsucht nach gestern

Seit letzten Sonntag findet in den beiden Koalitionsparteien ein Machtkampf statt. In der CDU hat sich Roland Koch die Familienpolitik als Angriffsfläche ausgeguckt und bei der FDP tut Parteichef Guido Westerwelle alles, um neue Machtoptionen seiner Partei von vornherein zu zerstören.

Ist die Schlappe der nordrhein-westfälischen CDU ein Indiz dafür, dass die Wähler die Christdemokraten gerne deutlich konservativer hätten? Ist das Verfehlen des freidemokratischen Wahlziels, an Rhein und Ruhr zweistellig abzuschneiden, ein Beweis, dass nicht genug Steuerreduzierungen versprochen wurden? Weder das eine noch das andere. Dessen ungeachtet findet seit vergangenen Sonntag in beiden Parteien ein Machtkampf statt. In der CDU will der konservative Flügel, getrieben vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, die Christdemokraten in der Familienpolitik auf Vor-Merkel-Positionen zurückdrängen. Und in der FDP tut Parteichef Guido Westerwelle alles, um seine Partei jede andere Machtoption als die der Partnerschaft mit der CDU zu zerstören.

Selten zogen Parteien aus einem Wahlergebnis so falsche Schlüsse. Erklärbar sind beide Rollback-Versuche nur, weil die Stabilität des schwarz-gelben Bündnisses in Berlin seit dem Sonntag noch gefährdeter ist. Eurokrise und aus ihr resultierende finanzielle Belastungen machen Gedanken an schnelle Steuersenkungen obsolet. Fast alle anderen Projekte würden an der verloren gegangenen Bundesratsmehrheit für Union und FDP scheitern. Monatelang packte die Koalition aus Angst vor dem Wahlausgang nichts an. Jetzt ist es zu spät. An der Legitimation des Bündnisses durch den Wählerwillen hat sich dadurch natürlich nichts geändert. Aber was nun? Schließlich muss noch drei Jahre regiert werden.

Also muss man die Existenzberechtigung neu definieren und damit am besten auch gleich die Basis gemeinsamen Tuns. Roland Koch verknüpft den richtigen Gedanken des Sparens offenkundig mit dem Ziel des gesellschaftspolitischen Rückbaus. Er stellt den Betreuungsplatz für unter Dreijährige genauso in Frage wie mehr Ausgaben für Bildung. Kleine Kinder gehören nicht in Krippen, sondern in die Familie, ist die unterschwellige Botschaft, für die es nicht nur in Baden-Württemberg Sympathie gibt. Mit den Streichüberlegungen bei Schulen und Hochschulen steht er ziemlich alleine da. Noch.

Richtungsstreit bei den Liberalen offensichtlich

Dass Angela Merkel die von Koch ausgehende Gefahr erkannt hat, bewies sie auf einem typischen indirekten Weg. Umweltminister Norbert Röttgen, ein Vertrauter der Kanzlerin, antwortete in einer Fernsehsendung am Mittwochabend auf die Frage, wo gespart werden könne, wie aus der Pistole geschossen: Sicher nicht bei Kindern und Bildung. Ein Schelm, wer sich dabei nichts denkt.

Der Richtungsstreit bei den Liberalen war direkter. Während sich der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart für rot-gelb-grüne- Kontakte aussprach, lehnte Parteichef Guido Westerwelle jedes derartige Gespräch ab. Die SPD wolle in NRW den rot-rot-grünen Probelauf für einen Pakt im Bund, so seine These. Pinkwart zeigte da mehr staatspolitische Verantwortung, als er exakt das verhindern wollte. Nicht nur für seinen Chef in Berlin aber war schon ein geplantes Treffen der SPD mit den Linken Vorwand, von Tabubruch zu reden. Westerwelle möchte offenbar nach Franz-Josef-Strauß-Methode alles zusammenkrachen lassen, damit die Leute nach Schwarz-Gelb als Rettungsanker gieren – und begreift nicht, dass in der Welt von heute Kochs CDU ein Fossil wäre.

Fürs Sparen hatte übrigens der Deutsche Industrie- und Handelskammertag gerade eine nicht so gestrige Idee wie die Politik mit dem Streichen bei Bildung und Kindern: Ohne den Abbau von Subventionen ginge das nicht, schrieb DIHK- Chef Driftmann der Kanzlerin.

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