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Schwarz-gelbes Sparen: Unten ist es nun mal kälter

Beim Sparpaket hat sich die FDP offenbar komplett durchgesetzt und ihre Klientel geschützt. Auch wenn man findet, dass ein bisschen Sozialabbau sein darf und muss – die Menschen mitnehmen auf dem neuen Kurs kann man so nicht.

Vom Sozialdemokraten Peter Struck stammt die Warnung, dass kein Gesetz aus dem Bundestag so herauskommt, wie es eingebracht worden ist. Und dem amtierenden Chef der CDU/CSU-Fraktion, Volker Kauder, ist der Ratschlag zu verdanken: „Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.“ Einen Tag nach Bekanntgabe des größten Sparpaketes in der Geschichte der Bundesrepublik ist die Stunde gekommen, sich an beide Sätze zu erinnern. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich der Sozialflügel der Union durch die eindeutig freidemokratische Handschrift des Sparpakets düpiert fühlt und Widerstand leisten wird.

Dieses Sparpaket besteht aus zwei Teilen. Einem, der mit Sicherheit kommt, und das sofort. Und einem zweiten, der zwar in etwa so umfangreich wie der erste ist, von dem aber weder feststeht, ob er jemals in die Tat umgesetzt werden kann, noch ob er, wenn überhaupt, im geplanten Ausmaß Wirklichkeit wird.

Was schneidig umgesetzt werden kann, sind die Leistungsreduktionen bei Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern, die Kürzungen beim Elterngeld, kurz alles, was sich unter dem Begriff „Sozialleistungen“ addieren lässt. „Neujustierung von Sozialgesetzen“ nennt das die schwarz-gelbe Koalition. Justieren, das klingt nach dem vorsichtigen Drehen an empfindlichen, kleinen Stellschrauben. Der Sozialflügel der Union und die Gewerkschaften beschreiben das anders. Sie nennen es nicht akzeptabel und kündigen Protest an. Im Nebel des Ungefähren und im Dunstkreis verbaler Verschönerungsarbeiten liegen die von der Wirtschaft erwarteten Beiträge zum Sparpaket. 500 Millionen im Jahr soll eine Bahndividende bringen. Nun hat die Bahn in den vergangenen Jahren überhaupt nichts an den Bund abgeführt, sondern aus ihren Gewinnen Schulden getilgt oder in neue Strecken investiert. Kassiert der Bund künftig jedes Jahr eine halbe Milliarde ab, kann beides nicht mehr oder nur noch deutlich reduziert stattfinden.

Eine rührende Verbrämung der Wirklichkeit ist die Brennelementesteuer, die im Jahr 2,3 Milliarden Euro bringen soll. Ihre Umsetzung hängt letztlich – obwohl die Regierung dies bestreitet – von einer verlängerten Laufzeit der Kernkraftwerke ab. Ob dem der Bundesrat zustimmen muss, ist umstritten. Geht die Maßnahme aber ohne das Ja der Länderkammer durch, erhöhen die AKW-Betreiber ihre Gewinne um ein Vielfaches der geplanten Steuer. Das vermeintlich von der Energiewirtschaft abgeforderte Opfer ist also tatsächlich so etwas wie eine gewaltige Gehaltserhöhung, von der man einen mäßigen Solidarbeitrag abführen muss.

Möglicherweise eine glatte Luftbuchung ist die durchaus wünschenswerte Finanzmarkttransaktionssteuer, die ab 2012 jährlich zwei Milliarden Euro bringen soll. Sie wirkt nur, wenn die EU-Staaten mitziehen und die neue Abgabe an allen europäischen Börsenplätzen greift. Zumindest die Briten aber zeigen nicht die geringste Neigung, dem letzten wesentlichen gewerblichen Steuerzahler in ihrem de-industrialisierten Land das Leben schwer zu machen. Keine Luftbuchung, aber ein Etikettenschwindel ist die ökologische Luftverkehrsabgabe. Da die Koalition sich nicht traut, eine Kerosinsteuer einzuführen, kann der Staat so bei den Flugtouristen abkassieren, ohne die Privatfliegerei zu ärgern.

Volker Kauder war viel zu klug, der Einladung Angela Merkels zu folgen. Er nahm nicht an der Sparklausur teil. Kauder weiß, dass er mit der Unionsfraktion, beim Betrachten der Wirklichkeit, vielleicht die soziale Schieflage des Sparpakets ausgleichen muss. Kein Abbau von Subventionen, keine Rücknahme der Mehrwertsteuergeschenke an die Hotellerie, keine höheren Steuern auf hohe Einkommen – man muss nicht beim DGB sein, um das Konzept unausgewogen zu finden. Diesmal hat sich die FDP offenbar komplett durchgesetzt und ihre Klientel geschützt. Auch wenn man findet, dass ein bisschen Sozialabbau sein darf und muss – die Menschen mitnehmen auf dem neuen Kurs kann man so nicht. Und es grenzt schon an Zynismus, dass sich eine ansonsten total zerstrittene Koalition immerhin schnell in der Frage einigt, bei wem man sparen kann.

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