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Meinung: Schwebende Holländer Die Bürger in den Niederlanden wählen das Polder-Modell ab

Von Klaus Bachmann Auf den ersten Blick ist wieder Normalität eingekehrt in den Niederlanden: Die Populisten wurden abgestraft, eine Koalition zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten ist wahrscheinlich. Alles bleibt beim Alten.

Von Klaus Bachmann

Auf den ersten Blick ist wieder Normalität eingekehrt in den Niederlanden: Die Populisten wurden abgestraft, eine Koalition zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten ist wahrscheinlich. Alles bleibt beim Alten. War der Aufstand des Pim Fortuyn, der vor einem Jahr die Parteienlandschaft aufwühlte nur ein Betriebsunfall der Demokratie, eine einmalige, kurze Aufwallung, die folgenlos verpuffte?

Nichts wäre fataler, als dass die Wahlsieger zum politischen Polder-Alltag zurückkehrten, wie er sich vor Fortuyns Siegeszug abspielte. Denn unter der Oberfläche des Wahlergebnisses wird deutlich: Aufbruch, das Verlangen nach Erneuerung und Reformen, Protest und Unzufriedenheit schwelen weiter in den Niederlanden. Auch bei diesen Wahlen haben die Wähler dem politischen Establishment die gelbe Karte gezeigt, wenn auch nicht so spektakulär wie im Mai letzten Jahres, als die „Liste Pim Fortuyn" die zweitgrößte Fraktion im Parlament wurde. Wer sich seither erneuerte, neue Köpfe in den Wahlkampf schickte, konnte meist enorme Gewinne verzeichnen. Parteien, die auf Kontinuität setzten und vom Wähler mit dem politischen Establishment der Kok-Zeit assoziiert wurden, wie die Rechtsliberalen und die Linksliberalen, hatten das Nachsehen. Die Rechtsliberalen müssen trotz leichter Zugewinne nun doch in die Opposition, die linksliberale D 66, einstmals selbst eine Anti-Establishment-Partei, die antrat, mehr Demokratie zu wagen, verlor einen Sitz. Ihr Spitzenkandidat Thom de Graaf gab am Wahlabend seinen Rücktritt bekannt.

Dass die Niederlande weiterhin im Umbruch sind, zeigt auch die große Anzahl bis zuletzt unentschiedener Wähler, die Wahlprognosen sehr schwierig machten. Relativ unbedeutende Ereignisse im Wahlkampf können so ungeahnt große Wirkungen haben. Während unentschiedene Bürger, auf niederländisch „schwebende Wähler", früher nur über zwei oder drei Mandate Differenz zwischen den großen Parteien entschieden, haben sie nun, wo ihr Heer auf Millionen angewachsen ist, den Ausgang der Wahl in der Hand. Dass eine Volkspartei wie die Sozialdemokraten innerhalb weniger Monate so erst die Hälfte ihrer Mandate einbüßte, und dann wieder eine zweistellige Zahl Sitze zurückerobert – so etwas hat es bisher noch nie gegeben.

Christdemokraten und Sozialdemokraten können nun koalieren, aber sie sollten nicht vergessen, dass die „schwebenden Holländer" sie jederzeit genauso drastisch abstrafen können wie vor einem Jahr die Regierung Kok, wenn sie versuchen sollten, zum alten, patriarchalischen Politikstil zurückzukehren und so zu tun, als wären der Aufbruch und die Unzufriedenheit der letzten Monate ein abgeschlossenes Kapitel.

Klaus Bachmann

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