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Schweizer Referendum: Aufgetürmt

Die Schweiz und das Minarettvotum lehren: Europa hat noch zu streiten.

Es ist schon erstaunlich, wie wenig in dieser zu Ende gehenden Woche noch öffentlich über die Frage debattiert worden ist, ob Minarette in Europa – und damit ist nicht nur EU-Europa gemeint – eine Herausforderung darstellen oder nicht. Nach einer, sagen wir, Eruption kehrt wieder vorweihnachtliche Stille ein? Falsch wäre das. Ganz falsch.

Vielmehr müsste jetzt munter gestritten werden, was Europa für seine Zukunft aus der Schweizer Entscheidung zu lernen hat. Ja, gestritten, im Sinne des Meinungsaustauschs, der dringend nötig ist zur Selbstvergewisserung. Gerade Europa braucht das, als eine Gemeinschaft von 27 Staaten und einigen Anwärtern, die zur Gemeinsamkeit aufgerufen sind. Wie viel Christentum soll es prägen, was ist abendländische Kultur, wie viel neuer Einfluss soll sein? Stattdessen hört es sich an wie im Gesangsverein Harmonie, was gesagt wird. Das ist falsch. Ganz falsch.

Richtig ist und bleibt: Die Motive der treibenden Kräfte hinter der Anti-Minarett-Abstimmung waren in keiner Weise lauter, es handelte sich um den Ausdruck der Fremdenfeindlichkeit. Dem haben die Schweizer Vorschub geleistet und sich weltweit keinen Gefallen damit getan, sie haben sich Europa entfremdet.

Andererseits ist bei genauem Hinsehen doch wohl zutreffend, dass nicht den gesamten knapp 58 Prozent, die gegen Neubauten votiert haben, extreme Fremdenfeindlichkeit unterstellt werden darf. Das macht das Ergebnis nicht besser, aber es wird erträglicher. Daneben ist es vielleicht schlichter als gedacht, in vielen Fällen schlicht so: Da fühlten sich viele bedrängt von Symbolen des Islam, die aus ihrer Sicht auftrumpfend sind. Während die Schweizer, bedächtige Leut’, doch die Kirchturmspolitik lieber haben.

Sie kannten sich halt nicht aus, und Aufklärung blieb aus. Was wird nicht alles berichtet über den Islam. Wie viele können da so recht unterscheiden zwischen dem Islam, der Religion, den Islamisten, dem islamistischen Terror? Das haben sich die Rechtspopulisten zunutze gemacht. Sie haben die Angst geschürt, dass der Islam herrisch die Politik und das Land bestimmen wolle. Damit entstand aber auch der Eindruck, die Politik dürfe nicht auch vom Islam geprägt werden, so wie sie es von den anderen Religionen kennen. Von dem Islam, der zu oft nur als intolerant interpretiert wird.

Darum zwei Fragen. Wird wirklich die Religionsfreiheit, Kennzeichen freiheitlich-demokratischer Staaten, durch das Votum außer Kraft gesetzt? Nein. Das wäre so, wenn Gebetsräume und Moscheen und die Religionsausübung generell infrage gestellt würden. Werden sie das durch die Entscheidung? Nein. Es wurde gegen den Neubau von Minaretten gestimmt.

Übrigens: In der Schweizer Bundesverfassung gab es bis 1973 ein Jesuitenverbot.

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