zum Hauptinhalt
Die Herren der Flüchtlingspolitik: Frankreichs Präsident Macron (Mitte) gibt eine erste Einigung der EU über die Seenotrettung bekannt. Neben ihm der Generalsekretär der UN-Organisation für Migration, Antonio Manuel de Carvalho, EU-Innen- und Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos und Filippo Grandi, Chef des UN-Flüchtlingskommissariats UNHCR (von links nach rechts).

© Ludovic Marin/AFP

Seenotrettung im Mittelmeer: Bravo Salvini, Ihr Zynismus trägt Früchte!

Ein Teil der EU will endlich Schiffbrüchige aufnehmen. Die Einsicht kommt zu spät. Denn der Rassismus ist bereits salonfähig, das wird bleiben. Ein Kommentar.

Man kann Matteo Salvini im Grunde dankbar sein: Seit Italiens rechtsradikaler Innenminister vor einem Jahr Italiens Häfen für private Seenotrettungsschiffe schloss, ja sogar für italienische Marine, die Schiffbrüchige aufnahm, hat er den Skandal des Massensterbens im Mittelmeer auf eine derart absurde Spitze getrieben, dass sich endlich, endlich etwas bewegt in Europa.

Angeblich ist die Hälfte der 28 EU-Staaten nun bereit, die – wenigen - Menschen aufzunehmen, die auf diese Weise vor dem Ertrinken gerettet werden.

Das ist implizit auch das Eingeständnis, dass die zynische Strategie der EU-Hauptstädte der letzten Jahre gescheitert ist: Man glaubte, den Tod vor der eigenen Haustür unsichtbar zu machen, wenn man nur, zunächst, das Ende von staatlichen Rettungsprogrammen wie „Mare Nostrum” der damaligen italienischen Regierung erzwang.

Anschließend schuf man das Phantom einer libyschen Küstenwache, die für die Rettung zuständig sein sollte. Jeden Fischer, der den Menschen zur Hilfe kam, bedrohte man mit Haft wegen Schlepperei. Schließlich kujonierte man mit allen Mitteln die Schiffscrews, die Europas Zivilgesellschaft aufs Mittelmeer schickte: Man entzog ihnen die Flaggen, schraubte die technischen Anforderungen schikanös hoch, beschlagnahmte schließlich die Schiffe und versucht nach wie vor, sie mit kostspieligen Gerichtsverfahren zu ruinieren.

Die EU, Friedensnobelpreisträgerin von 2012, lässt sterben und wendet gegen die Bürgerinnen und Bürger, die sich dagegen friedlich auflehnen, die Methoden von Demokraturen wie Putins Russland oder Erdogans Türkei an.

Es hat alles nicht geklappt, im Gegenteil: Die Bilder, die so entstanden – am stärksten zuletzt der Zweikampf zwischen „il Capitano” Salvini und der jungen Kapitänin Carola Rackete – haben anscheinend jetzt doch ein paar Regierungen ernüchtert, bis in den EU-Osten des ewigen Nein hinein. Der Koalition der Willigen will sich angeblich auch Litauen anschließen.

Wenn es dabei bleibt, ist das, nebenbei, kein geringer Erfolg für Frankreichs Präsidenten und seinen europäischen Ehrgeiz. Oder hat da womöglich schon Ursula von der Leyen mitgewirkt, die in Osteuropa bekanntermaßen etwas weiter offene Türen findet als andere Eurokratinnen?

Schlimmer als schlechte Politik ist - dumme

Wie auch immer: Jede dieser tage- und wochenlangen Verhandlungen um ein paar Dutzend Schiffbrüchige war Wasser auf die Mühlen der extremen Rechten. Das war, was in der Politik schlimmer ist als schlechte Politik: Es war dumm. Sollte damit bald Schluss sein – und Salvini scheint genau dies zu fürchten – ist das kein Grund, einem vermuteten besseren Europa zu applaudieren. Dafür hat es einfach zu lang gedauert.

Und jener Rassismus, den die zynische Politik, nein nicht Europas, sondern der europäischen Hauptstädte legitimiert und salonfähig macht, wird bleiben. Am Tag nach dem Treffen in Paris wird in Hessen ein Mann aus Eritrea durch Schüsse eines Rassisten lebensgefährlich verletzt. Der NSU brauchte für seine Morde am hellichten Tag noch Schalldämpfer. Wir sind weit gekommen.

Zur Startseite