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Ajatollah Ali Chamenei gilt als anti-westlicher Hardliner.

© Foto: Reuters/Official Khamenei Website

Chameneis Ziel ist Grabesruhe : Irans Revolutionsführer ist gefangen in seiner verhängnisvollen Logik

Keine Zugeständnisse an die Demonstranten, keine Reaktion auf Aufrufe zur Mäßigung: Das Agieren von Ali Chamenei lässt mehr Gewalt erwarten.

Ein Kommentar von Thomas Seibert

Der iranische Revolutionsführer Chamenei will keinen Dialog mit der landesweiten Protestbewegung. Der 83-jährige Chef der Islamischen Republik setzt sich mit seiner harten Linie über Bedenken im Staatsapparat hinweg und legt das Regime auf eine harte Antwort fest. Für ihn sind die Demonstrierenden willige oder unwissende Werkzeuge des feindlichen Auslands, die bekämpft werden müssen.

Am Wochenende belobigte Chamenei ausdrücklich die Milizionäre, die für das Regime die protestierenden Menschen niederknüppeln. Vereinzelte Forderungen aus der iranischen Elite nach Mäßigung weist er zurück. Chamenei überschreitet den Rubikon. Mehr Gewalt ist zu erwarten.

Die Grundprobleme der Islamischen Republik wird er damit nicht lösen können. Der absolute Herrschaftsanspruch der Mullahs verhindert einen Austausch mit einer jungen Bevölkerung, die nicht von der Erfahrung der islamischen Revolution von 1979 geprägt wurde. Der Iran steckt tief in einer gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und auch ökologischen Krise. Scheinheiligkeit und Korruption der Elite sind nicht mehr zu verbergen.

Chamenei beschwört den Geist der 1979er Revolution. Doch er kann jungen Iranerinnen und Iranern, die mehr persönliche Freiheit und Selbstbestimmung fordern, nichts anbieten. Für ihn ist „Weiter so“ die einzig gültige Formel. Der Ruf nach Reform ist für ihn staatsfeindlich.

Wie weit folgen die Systemträger dem greisen Führer?

Nun wird es darauf ankommen, wie weit mächtige Akteure im System dem greisen Revolutionsführer folgen – und ob sich die Demonstranten mit Schlagstöcken, Tränengas und scharfer Munition von den Straßen vertreiben lassen. Bisher haben sich die vorwiegend jungen Frauen und Männer nicht einschüchtern lassen.

Streiks in mehreren Wirtschaftsbranchen unterstützen die Regierungsgegner: Die Protestbewegung hat eine breitere gesellschaftliche Basis als frühere Aufstände.

Protest ohne Kopftuch und gegen das Kopftuch.
Protest ohne Kopftuch und gegen das Kopftuch.

© dpa/Anonymous

Der Staatsapparat könnte wie schon in der Vergangenheit versuchen, bestimmte Bevölkerungsgruppen gegen andere auszuspielen, etwa die eher fromme Unterschicht gegen die urbane Mittelschicht. Ob das für Chamenei funktioniert, wird sich erst noch zeigen müssen, denn auch konservative Iraner sind empört über die Korruption der Herrschenden.

Für Chamenei gibt es aber kein Zurück. Er hat die Islamische Republik 1989 von ihrem damals verstorbenen Gründer Khomeini übernommen und wird keine Zugeständnisse erlauben, die auf einen Machtverlust der Geistlichen hinauslaufen würden.

Deshalb haben Reformvorschläge wie die von Ex-Präsident Khatami bei ihm keine Chance. Der Revolutionsführer wird sein Ziel dann als erreicht ansehen, wenn Grabesruhe im Land eingekehrt ist.

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