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China fördert edle Metalle im großen Stil. Das verleiht dem Land große Macht über den Westen und den Welthandel.

© dpa

Seltene Erden: USA und China streiten um strategisch bedeutsame Metalle

Warum die Abhängigkeit der USA von China bei der Einfuhr von wertvollen Metallen noch Jahre andauern wird.

Die Klage bei der WTO gegen Chinas Ausfuhrbeschränkungen auf Seltene Erden kam nicht überraschend. Seit Jahren sind die hohen Zölle und Quoten auf den Export dieser 17 Metalle mit den exotischen Namen wie Lanthan, Europium und Neodym den Amerikanern ein Dorn im Auge. Erst im Januar hatte die WTO zugunsten der USA, der EU und weiterer Staaten entschieden, dass Chinas Exportbeschränkungen auf Metalle wie Magnesium und Silizium dem internationalen Handelsrecht widersprechen. Nun wagen die USA ihr Glück auch bei den Seltenen Erden und beantragten Konsultationen bei der Welthandelsorganisation. Scheitern die Gespräche, kann ein offizielles Streitschlichtungsverfahren eingeleitet werden.

Politisch hätte Obama seinen Vorstoß nicht besser timen können. Der amtierende Präsident gilt als zu lax in Handelsfragen. Mit der Beschwerde kann er nun, kurz vor der Wahl, Wirtschaft und Gewerkschaften vom Gegenteil überzeugen und – im Falle eines Erfolgs – gegenüber seinen Konkurrenten punkten. Denn auch der momentan im Nominierungsrennen der Republikaner führende Mitt Romney hat versprochen, rigoroser für die Rechte amerikanischer Unternehmen einzutreten und für fairere Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Die USA haben ein gigantisches Defizit im Handel mit China. 2011 entfielen 295 Mrd. US-Dollar, also rund 41 Prozent, des gesamten Defizits von 726 Mrd. US-Dollar in der Güterbilanz auf den bilateralen Handel mit dem Land. Den Grund für das hohe Defizit sehen die USA in unlauteren Handelspraktiken wie der Verletzung geistiger Eigentumsrechte, einer unterbewerteten Währung und Marktzugangsbeschränkungen. Laut einer Umfrage des renommierten Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center waren 2011 mehr als die Hälfte der Amerikaner (53 Prozent) für ein rigoroseres Vorgehen gegen China in Handelsfragen.

Die USA benötigen Seltene Erden für die moderne Kriegsführung

Seltene Erden sind ein besonders heikles Thema für die USA. Aufgrund ihrer Eigenschaften sind sie für die Herstellung von Hochtechnologieprodukten und bei Grünen Technologien wie der Photovoltaik, Windkraftanlagen oder auch der Elektromobilität heute so gut wie unersetzbar – Industrien, in denen China droht, die USA abzuhängen. Auch für die moderne Kriegsführung ist die Metallgruppe kritisch. So ist sie Bestandteil beispielsweise von Radargeräten, Lasern und Zielautomatiken, die in präzisionsgelenkter Munition, Marschflugkörpern, Kampfflugzeugen, Raketenabwehrsystemen und Nachtsichtgeräten eingesetzt werden. Auch für den Bau von Drohnen werden Seltene Erden benötigt. Insofern fürchten die USA eine gefährliche Abhängigkeit von dem ohnehin nicht einfachen Handelspartner. Dass China nicht davor zurückschreckt, seine Muskeln spielen zu lassen, zeigte es 2010, als das Land – wenn auch nicht offiziell – ein temporäres Embargo auf den Export Seltener Erden nach Japan verhängte. Der viel zitierte Ausspruch „der Nahe Osten besitzt Öl, China besitzt Seltene Erden“ des ehemaligen Staatspräsidenten Chinas, Deng Xiaoping, bestärkt die Sorge der Amerikaner.

Zwar kommen, anders als ihr Name suggeriert, die Seltenen Erden in der Erdkruste sehr häufig vor. Große, abbauwürdige Lagerstätten finden sich beispielsweise in Russland, Kanada, Australien oder auch den USA. Bei der Produktion allerdings verfügt China nahezu über ein Monopol: Auf das Land entfallen etwa 95 Prozent der globalen Produktion und fast die Hälfte der geschätzten globalen Reserven. Die USA sind fast vollständig auf Importe des Metalls angewiesen. Im Jahr 2011 importierten sie Seltene Erden im Wert von 696 Millionen US-Dollar, was einen Anstieg von 161 Millionen US-Dollar im Vorjahresvergleich bedeutet. Dabei stammten 79 Prozent aus China. Umso gravierender ist es, dass die aus China exportierten Seltenen Erden aufgrund von Quoten, Exportzöllen und Mindestexportpreisen derzeit deutlich teurer sind als auf dem chinesischen Markt.

Ein Comeback in der Eigenproduktion Seltener Erden wird noch Jahre dauern.

China war nicht immer so dominant auf dem Markt für Seltene Erden. Noch im Jahre 1990 entfiel ein Drittel der weltweiten Produktion auf die USA; Spitzenreiter war die Mountain Pass Mine im Bundesstaat Kalifornien. Aufgrund des internationalen Preisverfalls, der hohen heimischen Lohnkosten und strikten Umweltauflagen lohnte sich die eigene Produktion jedoch bald nicht mehr, importiert wurde zunehmend aus China. Nun sollen die eigenen Vorkommen wieder stärker genutzt werden. Die Firma Molycorp Inc., der die Mine gehört, kündigte im Februar 2012 an, in den nächsten Wochen wieder mit dem Abbau zu beginnen. Auch der Kongress diskutiert die Erschließung heimischer Rohstoffe: Im Rare Earths Supply Chain Technology and Resources Transformation Act von 2011 wird vorgeschlagen, die Wiederaufnahme einer wettbewerbsfähigen nationalen Produktion Seltener Erden zu fördern.

Allerdings ist die Erschließung neuer Vorkommen technologie- und kapitalaufwändig. Trotz Reaktivierung der Mountain Pass Mine dürften die USA noch lange auf Importe aus China angewiesen sein. Daher der Weg zur WTO. Die USA kritisieren, dass Chinas Ausfuhrbarrieren WTO-Recht und Beitrittsabkommen des Landes zuwiderlaufen. So hat sich das Land – bis auf wenige Ausnahmen – verpflichtet, seine Exportzölle abzuschaffen. Dies bezieht sich auch auf die Seltenen Erden. Exportquoten sind im WTO-Regelwerk ohnehin untersagt. China sieht dies anders und führt dabei insbesondere Umweltschäden durch den Abbau Seltener Erden an. Exportquoten sind nämlich dann zulässig, wenn sie dem Schutz natürlicher, erschöpfbarer Ressourcen bzw. der Umwelt und Gesundheit von Mensch und Tier dienen oder auch, wenn sie zur Wahrung der nationalen Sicherheit notwendig sind. Damit die Ausnahmeklausel zum Umweltschutz greift, muss das Exportland allerdings nachweisen, dass die Gewinnung der betroffenen Rohstoffe für den heimischen Markt ähnlich eingeschränkt wird. China betont entsprechend die vielen neuen Regulierungen, die den Umweltschutz im Bergbausektor verbessern sollen. Schon beim letzten Streit um Exportbeschränkungen hatte das Land dieses Argument bemüht – allerdings erfolglos. Denn China hat sich in seinem WTO-Beitrittsprotokoll nicht nur verpflichtet, seine Exportzölle auf die genannten Materialien abzubauen, sondern auch das Recht aufgegeben, die generellen Ausnahmeklauseln der WTO anzuwenden. Die Aussichten auf Erfolg der US-Beschwerde stehen somit nicht schlecht.

Stormy-Annika Mildner forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) u.a. zu Rohstoffpolitik sowie zur Doha-Entwicklungsrunde der WTO. Sie ist Mitglied der Institutsleitung. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik Kurz gesagt.

Stormy-Annika Mildner

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