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Meinung: „Setzt euch hin, redet, einigt euch“

Zur Abwechslung mimt Polens böser Bube den Vaterlandsretter. „Wir sind bereit, Mitverantwortung für das Land zu übernehmen“, kündigt der sonst so unberechenbare Bauernführer Andrzej Lepper an: Er und seine linkspopulistische Partei Samoobrona (Selbstverteidigung) wollen das Minderheitskabinett von Premier Kazimierz Marcinkiewicz heute bei der Abstimmung im Sejm, dem polnischen Parlament unterstützen.

Zur Abwechslung mimt Polens böser Bube den Vaterlandsretter. „Wir sind bereit, Mitverantwortung für das Land zu übernehmen“, kündigt der sonst so unberechenbare Bauernführer Andrzej Lepper an: Er und seine linkspopulistische Partei Samoobrona (Selbstverteidigung) wollen das Minderheitskabinett von Premier Kazimierz Marcinkiewicz heute bei der Abstimmung im Sejm, dem polnischen Parlament unterstützen. Die Programme seiner Bewegung mit der nationalkonservativen Regierungspartei PiS stimmten zu „70 Prozent überein“.

In Talkshows und am Rednerpult kostet Polens Politparia derzeit genussvoll seine neue Lieblingsrolle als Königsmacher aus. Dabei hatte sich der frühere Landgutdirektor in den 90er Jahren als Organisator gewalttätiger Bauerndemonstrationen und mit rüden Attacken gegen die politische Elite einen Namen gemacht. Mit seiner 1992 gegründeten Partei zog er 2001 mit zehn Prozent erstmals in den Sejm ein. Dort tauschte Lepper zwar den Trainings- gegen den Maßanzug, blieb seinem Stil aber treu: Mikrofonblockaden und seine Auslandseinsätze als Wahlhelfer von Diktatoren wie Saddam Hussein oder Alexander Lukaschenko sollten der Popularität des Politrüpels bei der verarmten Landbevölkerung genauso wenig Abbruch tun wie Sympathiebekundungen für die Arbeitsprogramme von Adolf Hitler.

Lepper habe nun die Chance, sich dem „öffentlichen Leben anzuschließen“, mühte sich Polens künftiger Präsident Lech Kaczynski nach seinem Wahlsieg Ende Oktober, dem 51-Jährigen den Weg ins Establishment zu bahnen. Vor wenigen Monaten noch hatte Kaczynski eine Zusammenarbeit mit der Samoobrona ausgeschlossen. Der derzeitige Pakt der ungleichen Partner ist denn auch nur taktischer Natur. Nach dem Zerwürfnis mit der rechtsliberalen PO ist die PiS auf die Stimmen der Samoobrona angewiesen. Ein schwaches Minderheitskabinett lässt umgekehrt Lepper auf weitere Zugewinne beim nächsten, vermutlich vorzeitigen Urnengang hoffen. Die Steigbügelhalterdienste dürften der Samoobrona zudem Posten in der Verwaltung bescheren. „Lepper präsentiert immer eine Rechnung“, sagt der sozialdemokratische Ex-Premier Leszek Miller. Der weiß, wovon er spricht. Nach jeder Abstimmung, die dessen Minderheitskabinett mit Hilfe von Samoobrona-Stimmen gewann, überreichte ihm Bauerführer Lepper eine Liste mit Parteifreunden – und deren Jobwünschen.

Thomas Roser

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