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Meinung: Shoppen für Deutschland

Von Henrik Mortsiefer

Angenommen, es kommt zur großen Koalition von SPD und Union. Würden wir dann ein Auto kaufen? Oder öfter Essen gehen? Oder verreisen? Mal sehen …

Diese Malsehen-Haltung deutscher Verbraucher prägt die Umfragen: Ob vor oder nach der Wahl, ob große Koalition oder andere Bündnisse – die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) diagnostiziert seit Monaten chronische Zurückhaltung. Größere Anschaffungen hat kaum ein Haushalt auf der Einkaufsliste. Die meisten haben gar keine Liste. Wer überhaupt etwas zur Seite legen kann, spart, statt zu konsumieren. Angstsparen nennt man das. Gründe dafür gibt es genug: Teures Öl hat die Sprit- und Heizkosten drastisch steigen lassen und die Haushaltskassen vor allem der Niedrigverdiener geleert. Die Inflation ist keine theoretische Größe mehr, sondern im Supermarkt spürbar. Und dann das politische Chaos in Berlin und die Verwirrung, welche Steuerpolitik uns erwartet. Mehrwertsteuer rauf? Sozialbeiträge runter? Wo greift der Staat in Zukunft zu? Unklare politische Verhältnisse seien eine „Konsumbremse allerersten Ranges“, beklagte der Einzelhandelsverband HDE am Mittwoch – und senkte seine ohnehin bescheidene Umsatzprognose für 2005. So hart seien die Bedingungen in Deutschland noch nie gewesen. Das klingt nicht nach Verbands-Jammerei. Wenn es stimmt, dass der private Konsum 60 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung ausmacht, dann verheißen die Daten von GfK und HDE nichts Gutes.

Das kann auch Ludwig Stiegler nicht ignorieren. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion sagt allen Ernstes, dass Volkswirte bei Banken und Instituten mit bewusst zu schlechten Konjunkturprognosen der SPD schaden wollen. Gewiss, die jüngsten Stimmungsindikatoren stammen größtenteils aus Befragungen vor der Wahl. Und Erwartungen können sich ändern. Aber Stieglers Angriff zielt ins Leere. Zeigen Umfragen doch auch, dass die Verbraucher weitere Reformen für nötig halten und persönliche Einbußen für unumgänglich halten. Nur Klarheit brauchen sie. Wer weiß, was kommt, kann planen – und rechnen. Es muss ja nicht gleich ein neues Auto sein.

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