zum Hauptinhalt
Ein Verbot von Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit bleibt ein umstrittenes Thema.

© dpa

Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr: Kein Alkohol soll doch die Lösung sein

Kein Alkoholkonsum mehr im öffentlichen Nahverkehr. Das fordern Verkehrsverbund und Fahrgastverband. Doch Alkohol lässt sich nicht einfach aus dem öffentlichen Raum verbannen. Er wird höchstens unsichtbar gemacht.

Von Patricia Wolf

Müssen wir demnächst erstmal ins Röhrchen pusten, bevor wir uns nach einem netten Abend in der Bar in die U-Bahn setzen dürfen, die uns unversehrt nach Hause bringen soll?

In Berlin wird derzeit heftig über die Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln diskutiert. Weil die Hälfte aller Straftaten angeblich von Betrunkenen ausgeübt wird, liegt für manchen der Umkehrschluss nahe: wo nicht mehr getrunken wird, dort passiert auch nichts Schlimmes. Schon fordern, wie zuvor Frank Henkel (CDU), Verkehrsverbund und Fahrgastverband, das Trinken im öffentlichen Nahverkehr zu verbieten. Wenn es denn so einfach wäre! Ist das wirklich die Lösung oder eher trunkener Aktionismus, der das Problem mitnichten an der Wurzel packt?

Das Problem wird mit solch plakativen Forderungen nicht aus der Welt zu schaffen sein. Alkohol lässt sich nicht einfach aus dem öffentlichen Raum verbannen. Er wird höchstens unsichtbar gemacht. Seit in den USA 1933 die Prohibition aufgehoben wurde, gilt dort ein Verbot von Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit. Und just seitdem gibt es dort ein Phänomen: die braune Tüte. Das ist eine braune kleine Papiertüte, in die eine Flasche, zum Zwecke der Unsichtbarkeit, gewickelt wird.

Ganz nüchtern betrachtet: Es ist nicht der Bauarbeiter, der sich nachmittags den Staub des Tages mit einem Bierchen aus dem Mund spült. Das Problem sind doch jene Fahrgäste, die schon ordentlich getankt haben und hackevoll, auch voll aggressivster Stimmung, voll mit übelsten Schimpfwörtern und voller gewaltiger Wut – auf was auch immer – auf ihre Mitbürger losgehen, diese beschimpfen, beleidigen, belästigen, bedrohen.

Nur: die meisten von ihnen kommen aus der Kneipe, von zu Hause, einer Party, aus dem Fußballstadion – und haben ihre Fläschchen nicht soeben auf dem ach so gemütlichen S-Bahnhof geleert.

Vielleicht haben jene, die das Verbot jetzt fordern, sich die Idee aus London abgeschaut. Dort gilt seit Mitte 2008 ein absolutes Alkoholverbot in der U-Bahn. Dort, wo das so genannte binge drinking, also das Trinken bis zum Umfallen, zum Volkssport wurde, der vor allem an Wochenenden immer beachtliche Teilnehmerzahlen aufzeigen konnte, führte Bürgermeister Boris Johnson ein Verbot des Alkoholgenusses in öffentlichen Verkehrsmitteln ein. Dies geschah, nachdem regelmäßig komplette Waggons verdreckt mit Erbrochenem waren und das Sortiment einer halben Spirituosenhandlung in den Wagen hin – und herrollte – und sich viele Fahrgäste dadurch belästigt fühlten.

Davon sind wir in Berlin weit entfernt. Mag sein, dass der ein oder andere Mitfahrer mit seinem Fläschchen Bier, mit dem er seinen Feierabend schon auf dem Heimweg einläutet, anzutreffen ist. Und natürlich ist die M10 als Partytram bekannt, auf der schon mal ein Fläschchen Sekt getrunken wird. Doch wen stört das? Eine Belästigung, gar ein unsicheres Gefühl oder Ängste auslösend sind doch nur diejenigen, die schon betrunken in Bus oder Bahn steigen. Nur wie ist das in den Griff zu bekommen? Mit den eingangs erwähnten Atemkontrollen am U-Bahneingang? Und sollte schon der bloße Konsum bald nicht mehr gestattet sein: wie soll dieses Verbot durchgesetzt werden? Wer soll überprüfen, wer wo welche Flasche mit welchem Inhalt trinkt? Schon jetzt fehlt der BVG das Personal, in den Bahnhöfen ausreichend Leute zu postieren, die das Sicherheitsempfinden der Fahrgäste erhöhen könnten. Statt dessen könnte sich das Aufkommen der braunen Tüte sichtbar erhöhen.

Zur Startseite