zum Hauptinhalt

Meinung: „Sie wollen den Islam zerstören“

Muktada al Sadr, der feurige, kaum 30-jährige Schiitengeistliche ist auf der Flucht, vermutlich nicht im Iran, wie die USA behaupten, doch irgendwo im Irak. Er selbst gestand jüngst, er habe seine Familie an einen geheimen Ort gebracht, er schlafe nicht mehr zwei Nächte hintereinander im selben Bett.

Muktada al Sadr, der feurige, kaum 30-jährige Schiitengeistliche ist auf der Flucht, vermutlich nicht im Iran, wie die USA behaupten, doch irgendwo im Irak. Er selbst gestand jüngst, er habe seine Familie an einen geheimen Ort gebracht, er schlafe nicht mehr zwei Nächte hintereinander im selben Bett. Einige seiner engsten Verbündeten hätten sich von ihm losgesagt.

Sadr, den die Amerikaner für einen Großteil der Gewalt im heutigen Irak verantwortlich machen, fühlt sein Ende nahen. Deshalb hat er auch seiner Mehdi-Miliz den Auftrag erteilt, einer wohl unmittelbar bevorstehenden US-Offensive keinen Widerstand zu leisten. Viele seiner Mitstreiter flüchteten aus dem von US-Truppen umzingelten Bagdader Schiitenviertel Sadr-City. „Sie wollen nicht uns zerstören, sondern den Islam. Wir stehen ihnen dabei nur im Wege.“

Mit jugendlichem Charisma hatte sich der Sprössling einer Geistlichendynastie seit dem Sturz des Diktators Saddam Hussein 2003 zu einem der populärsten Führer der schiitischen Mehrheit im Irak, zu einer Kraft entwickelt, die – wie „Newsweek“ jüngst feststellte – „das Schicksal der Amerikaner im Irak“ entscheiden könnte. Energisch widerstand Sadr seit dem Krieg gegen Saddam Hussein der US-Besatzungsmacht, fordert bis heute trotz der Beteiligung seiner Bewegung an der Regierung Maliki einen klaren Zeitplan für den Truppenabzug der USA. Er baute seine Miliz zu einer 60 000 Mann starken Truppe auf, die 2004 zweimal die Konfrontation mit den Amerikanern wagte, dabei aber schwere Verluste hinnehmen musste.

Seine Popularität unter den Schiiten verdankt er nicht nur dem Märtyrerimage seines Vaters, dessen Sozialnetz er ausbaute. Als einziger Schiitenführer setzte er sich nicht nur für die Rechte der diskriminierten Minderheit ein, sondern kämpfte auch dafür. Zugleich ist er aber auch ein entschlossener irakischer Nationalist, der für die Einheit des Landes, und nicht die Zersplitterung in autonome Regionen und schon gar nicht für vermehrten Einfluss des Irans kämpft. Einst galt er als der einzige schiitische Führer, der eine Aussöhnung mit den arabischen Sunniten in die Wege leiten könnte.

Doch zunehmend verlor er die Kontrolle über seine stetig wachsende Bewegung, der sich Jugendgangs anschlossen. Zugleich wurde sie von Kriminellen unterwandert, die für einen beträchtlichen Teil der mörderischen Willkür insbesondere gegen die Sunniten verantwortlich sind.

Birgit Cerha

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false