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Silvio Berlusconi: Das Recht nehm ich mir

Premier Berlusconi schafft sich in Italien die Justiz vom Hals – wieder einmal. Er peitscht sein Gesetz im Schnellverfahren durchs Parlament. Dabei kann er sich auch noch rühmen, größeren Flurschaden vermieden zu haben.

Der Staatspräsident, die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern, der Regierungschef – in Italien sind jetzt die höchsten Vertreter des Staates vor Strafverfolgung geschützt. Das Parlament hat es so beschlossen, und rechtsstaatlich ist im Prinzip wenig dagegen einzuwenden; auch in Deutschland gibt es die parlamentarische Immunität. Faktisch gilt das neue Gesetz aber einzig und allein für Silvio Berlusconi. Seine Anwälte haben es ausgeheckt, seine willigen Helfer haben es zu einem symbolmächtigen, fatalen Zeitpunkt im Parlament durchgesetzt. Mit anderen Worten: Das Gesetz ist unter demokratischen Gesichtspunkten unerträglich. Es ist unmoralisch. Es ist ein Skandal.

Silvio Berlusconi hat sein Amt als Ministerpräsident genutzt, um sich die Justiz vom Hals zu schaffen. Gerade eben stand er in Mailand vor Gericht. Er soll sich von einem britischen Anwalt entlastende Zeugenaussagen für einen früheren Prozess erkauft haben. Das Verfahren stand kurz vor dem Abschluss; Berlusconi hätte spätestens nach der Sommerpause mit einer Verurteilung rechnen müssen.

Um genau das zu vermeiden – eine andere Eilbedürftigkeit gab es nicht –, hat Berlusconi sein Gesetz im Schnellverfahren durchs Parlament gepeitscht. Dabei kann er sich auch noch rühmen, größeren Flurschaden vermieden zu haben. Denn ursprünglich wollte er – unter vorgeblicher Wahrung der Rechtsstaats, der maßgeschneiderte Gesetze für Einzelpersonen verbietet – gleich alle Prozesse suspendieren, bei denen den Angeklagten eine Strafe von weniger als zehn Jahren gedroht hätte.

Damit wären etwa 120 000 Gerichtsverfahren auf Eis gelegt worden – in einem Land, in dem allzu viele Straftäter schon jetzt frei herumlaufen, weil Urteile oft erst nach ihrer Bestätigung in dritter Instanz vollstreckt werden und zahlreiche Verbrechen bis dahin verjährt sind. Berlusconi verzichtete auf diesen Rundumschlag erst, nachdem das Parlament ihn allein von der Strafverfolgung befreit hatte. Und er zeigte damit unmissverständlich, was er wirklich gemeint hatte, als er sagte, „im Interesse der Sicherheit Italiens“ müsse man die Justiz entlasten.

In Wahrheit hat Berlusconi schon in seiner zweiten Amtszeit (2001–2006) nichts getan, um die Gerichte zu entlasten und Italiens zahnloser Justiz Biss zu verleihen. An der Beschneidung der zahllosen Tricks, mit denen geschickte Anwälte die Tribunale des Landes bis zur Verjährung lahmlegen, konnte dem Ministerpräsidenten nicht gelegen sein – dabei hätte er nur selber verloren. Stattdessen hat Berlusconi, auch zu eigenem Nutzen, die Verjährungsfristen weiter gekappt und – nicht minder nachvollziehbar in seinem Fall – Wirtschaftsstraftaten wie Bilanzfälschung zur bloßen „Ordnungswidrigkeit“ herabgestuft.

Jetzt triumphiert Berlusconi endgültig. „Endlich“, sagt er, „kann mich keiner mehr verfolgen.“ Und was sagt die Opposition? So gut wie nichts, wenn man vom früheren Mailänder Starstaatsanwalt Antonio Di Pietro absieht, der seinerseits aber eine allzu persönliche Fehde mit Berlusconi austrägt. Und was sagt Europa? Europa? Hallo, ist da jemand?

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