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Sommerinterview mit Wulff: Schnappschuss auf Norderney

Das Sommerinterview hat das Wulff der ZDF-Journalistin Bettina Schausten auf Norderney gegeben. Dort macht der Präsident Urlaub, allerdings erst in einigen Wochen.

Von Anna Sauerbrey

Na endlich, wurde ja auch Zeit. Die Berliner Politik macht schon eine Woche Ferien, aber das erste Urlaubsvergehen ließ noch auf sich warten. Nun ist es da. Der sündige Reisende ist Bundespräsident Christian Wulff, als, Verzeihung, Kofferträger fungierte das ZDF, und die Enthüllungspostkarte schrieb die „Bild“. Es geht um das Sommerinterview, das Wulff der ZDF-Journalistin Bettina Schausten auf Norderney gegeben hat. Dort macht der Präsident Urlaub, allerdings erst in einigen Wochen. Die Interview-Situation war fingiert und hat den Steuerzahler Geld gekostet, weil Wulff sich extra schon einmal hinfliegen ließ. Das macht 2500 Euro die Flugstunde, rechnet „Bild“ vor, vielleicht noch ein bisschen beleidigt, dass Wulff da jetzt in die Kamera sprach und nicht Gauck, der Präsident der Herzen.

Es ist Sommerzeit, alles sitzt ein bisschen lockerer, der Krawattenknoten und der Euro für die Extrakugel Eis. Aber wenn Politiker sich locker machen, startet die Empörmaschine kalt. Die deutschen Medien sind knickerig. Sie nahmen Gerhard Schröder seine Zigarren und seine Maßanzüge übel, Sahra Wagenknecht den Hummer und Ulla Schmidt, dass sie sich ihren Dienstwagen nach Spanien hinterherfahren ließ. Auch für Wulff ist es nicht das erste Mal. Letztes Jahr stand er in der Kritik, weil er auf dem Anwesen eines Unternehmers Urlaub machte, und als Ministerpräsident von Niedersachsen hatte er einmal Ärger, weil er ein Upgrade in der Business-Class akzeptierte. Alles in allem ist die pingelige Kontrolle auch richtig. Doch das Gesamtbild, zu dem sich all diese Schnappschüsse zusammenfügen, das Bild vom Staatsgeld verschwendenden und in Gefälligkeitspools badenden deutschen Politiker, ist nicht stimmig.

So wie Norderney das Schwarzbrot unter den Urlauben ist, ist Wulff das Schwarzbrot unter den staatlichen Repräsentanten. In anderen Ländern, in Frankreich etwa, pflegen Politiker bewusst die stilistische Nähe zur Hautevolée. Die Franzosen unterhalten für ihren Präsidenten eine eigene Sommerresidenz, ein apartes Schlösschen auf einem einsamen Felsen vor der Mittelmeerküste. Da flanieren sie gerade, Nicolas und Carla. Kontakt zum Volk: null. Angela Merkel hingegen flaniert prinzipiell nicht, sie wandert, am liebsten in Südtirol. Stilistisch setzen deutsche Politiker aufs Korrekte, auch im Sommer. Das bleibt das richtigere Erinnerungsfoto, trotz kompromittierender Schnappschüsse.

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