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Soziales im Kabinett: Pflegebedürftig?

Das Kabinett hat die Pflegereform beschlossen. Überraschend geräuschlos. Was bringt diese Reform der Pflege älterer Menschen?

Eines ist diesmal ganz anders als bei der Gesundheitsreform. Beim Thema Pflege hat sich die Koalition überraschend schnell und geräuschlos zusammengefunden. Eines freilich ist wieder ganz genauso wie bei Ulla Schmidts anderem großen Projekt: Nach der Reform ist vor der Reform. Die wirklichen Entscheidungen – wie viel sich Gesellschaft und Beitragszahler die Pflege alter Menschen kosten lassen wollen, woher das Geld kommen soll und wie das System zukunftsfest gemacht werden kann – wurden wohlweislich vertagt. Zu viel Zündstoff offenbar für eine große Koalition auf kleinem gemeinsamen Nenner.

Ist also nur ein Reförmchen herausgekommen, ein verlegener und letztlich fauler Kompromiss? Man sollte das Paket der Neuerungen, bei aller Unzufriedenheit, weder schlechtreden noch unterschätzen. Was die Experten zustande und in Gesetzesform gebracht haben, ist nicht nur endlich ein Anfang, sondern bereits ein respektabler Schritt. Und das Wichtigste: Er geht in die richtige Richtung.

Das betrifft sogar und zuvorderst das nicht gelöste Problem der Finanzierung. Erstmals haben sich die großen Parteien von der Lebenslüge verabschiedet, mit der Norbert Blüm vor zwölf Jahren seine Pflegeversicherung als weitere Säule ins Sozialsystem gedrückt hat und vielleicht auch nur drücken konnte: dass sich die Leistungen der Pflegekasse rigide deckeln lassen und die Beiträge folglich auch nicht steigen müssen. Nun werden sie es zum ersten Mal tun, wenn auch nur um verschämte 0,25 Prozent. Lange reichen wird das zwar nicht, aber es zeigt ein Umdenken.

Zur Kenntnis genommen wird erstmals auch eine beständig wachsende Gruppe von Menschen, die bisher komplett leer ausging: die der Altersverwirrten. Für Demenzkranke fließen nun, auch wenn sie körperlich gut beieinander sind, bis zu 2400 Euro im Jahr. Das ist im Einzelfall natürlich zu wenig. Es ist aber insofern bedeutsam, weil es – endlich – das starr-bürokratische System der Pflegestufen ein wenig aufweicht. Auf die Pflegequalität auswirken könnte sich auch die neu geschaffene Möglichkeit, Heime für die Aktivierung ihrer Bewohner zu belohnen.

Bisher wurden sie finanziell bestraft, wenn es ihren Pflegebedürftigen besser ging – durch deren Eingruppierung in eine niedrigere Pflegestufe. Motivierend war das nicht gerade. Und dass negative Prüfberichte in irgendwelchen Schubladen verschwinden konnten, war auch alles andere als qualitätsfördernd. Künftig werden entdeckte Missstände öffentlich nachlesbar sein. Eine wichtige Entscheidungshilfe für Angehörige, deren Probleme nun viel stärker in den Fokus gerückt sind. Nun gibt es Anlaufstellen, Orientierung, Zeitvorgaben für Gutachter. Und das Recht auf befristete Arbeitsfreistellung, wenn auch unbezahlt.

Das alles ist längst nicht genug, aber auch nicht wenig. Es ist wegweisend und wohl das Maximum des gegenwärtig Erreichbaren. Dass es ohne große Reiberei gelang, dürfte den (Grenz-)Erfahrungen mit der Gesundheitsreform ebenso geschuldet sein wie der Beharrlichkeit und dem Realitätssinn der Ministerin, die zunehmend an Format gewinnt. Und den großen Rest nun eben den Wählern und der nächsten Regierung überlässt.

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