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Sparen mit Zukunft: Arme Hauptstadt

Auch in Zukunft wird sich Berlin nur eine rigide Sparpolitik leisten können. Selbst wenn der heute präsentierte Etat nach der Wahl im September vermutlich ganz anders aussehen wird.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es ist die wohl letzte große Amtshandlung von Rot-Rot: Der Berliner Haushaltsentwurf für die nächsten beiden Jahre. Zwei Monate vor der Abgeordnetenhauswahl hat der Senat ein dickes Zahlenwerk vorgelegt, von dem man nicht weiß, ob es Bestand haben wird. Denn ein Etat, der in anderen Farben schillert, sei es Rot-Grün, Grün-Schwarz oder Rot-Schwarz, wird anders aussehen als das, was die Regierung am Dienstag beschloss. Nachdem er im Herbst in Koalitionsverhandlungen kräftig durch die Mangel gedreht wurde.

Warum also die Mühe? Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit nimmt ungern Arbeit auf sich, die nicht lohnt. Erstens geht er davon aus, nach dem 18. September weiterzuregieren und der Haushaltspolitik Berlins wieder seinen Stempel aufzudrücken. Außerdem nimmt der SPD-Spitzenkandidat mit dem Etatentwurf den künftigen Koalitionspartner vorsorgend in Geiselhaft. Hier und dort ein Sahnehäubchen, aber es bleibt bei einer rigiden Sparpolitik, die die Solidarität des Bundes und der reichen Länder nicht überstrapaziert.

Denn um ein Sanierungsprogramm für die nächsten fünf Jahre kommt Berlin, wie die anderen Hungerleider Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein, nicht herum. Der Stabilitätsrat hat im Mai ein Machtwort gesprochen, und das ist auch gut so. Zwar sind brutale Rotstiftaktionen nicht mehr zu erwarten, da wurde in der Ära Thilo Sarrazins 2002 bis 2009 schon ganze Arbeit geleistet, aber so ein offizieller Sparzwang zwingt jede künftige Landesregierung zu einer gewissen Disziplin.

Die wird Berlin brauchen, damit die knappen, aber einigermaßen konsolidierten Finanzen der Hauptstadt nicht wieder aus dem Ruder laufen. Die schöne Aussicht, bereits 2016 keine neuen Kredite mehr aufnehmen zu müssen, sollte niemanden leichtsinnig werden lassen. Vielleicht gibt es bald den nächsten großen Finanzcrash. Vielleicht kippt die deutsche Konjunktur. Vielleicht kappen die südlichen Geberländer nach 2020 ihre milliardenschweren Einzahlungen in den bundesstaatlichen Finanzausgleich. Vielleicht fällt in Berlin der Fernsehturm um.

Es gibt also reichlich Risikopotenziale. Und immer wieder lohnt sich der Blick auf den hauptstädtischen Schuldenberg, zurzeit sind das 66 Milliarden Euro, für die jährlich 2,5 Milliarden Euro Zinsen gezahlt werden. Es grenzt an ein Wunder, dass der Politik im Roten Rathaus trotzdem noch Handlungsspielräume bleiben, die so oder so genutzt werden können. Auch genutzt werden müssen, sonst lohnt sich das Wählen nicht mehr.

Gleichwohl sollten die Parteien verschämt in ihre Wahlprogramme schauen, die alle viel zu teuer sind. So viele schöne neue Straßenbahnen, so viele tapfere neue Polizisten, so viele maßgeschneiderte soziale Wohltaten, so viele Versorgungsunternehmen, die der Staat zurückkaufen soll. Es wird einem ganz schlecht. Vorbilder sind prima – aber warum Griechenland, Portugal oder die USA? Eine solide Haushaltspolitik klingt zwar extrem langweilig, bleibt aber trotzdem erstrebenswert.

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