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In vielen Berliner Bezirken werden die Schülerzahlen in den nächsten Jahren steigen.

© ddp

Sparen nicht um jeden Preis: Der Senat muss in die Schulen investieren

Die Schülerzahlen steigen, die Gebäude sind marode und jetzt werden sie auch noch knapp. Wenn der rot-schwarze Senat Handlungs- und Zukunftsfähigkeit beweisen will, muss er investieren - und zwar nicht nur in die Brennpunktschulen.

Wen es in den nahen Winterferien in die bayerischen Berge oder den Schwarzwald verschlägt, sollte dort einen Ausflug in die örtlichen Schulen machen. Das böte die Gelegenheit, sich daran zu erinnern, dass Schulen nicht automatisch verlottert, verschlissen und verunreinigt sein müssen, nur weil sie Schulen sind. Und es könnte sein, dass der Blick geweitet würde für das, was möglich ist und was man vergessen hat als Dauerbewohner von Städten, die ihre Schulen als Sparschwein nutzen.

Auch Berlin gehört zu dieser Spezies, und die Bewohner der Stadt haben sich weitgehend daran gewöhnt, bei den Schulen nicht so genau hinzusehen. Der Berliner geht ja inzwischen nur noch auf die Barrikaden, wenn es durchregnet oder komplette Turnhallen wegbrechen, die Hardware sozusagen vollständig versagt. Ansonsten hat er alle Hände voll damit zu tun, sich um die Software zu sorgen, worunter man den Unterricht verstehen kann und all die strittigen Rahmenbedingungen von der verfrühten Schulpflicht bis hin zum Personalmangel, vom Streit um die Lehrerarbeitszeit bis hin zum schlechten Abschneiden bei allen nationalen Bildungsvergleichen.

Diese ebenso gewohnten wie berechtigten Berliner Aufregungsrituale könnten allerdings schon bald eine ganz andere Qualität bekommen. Dann nämlich, wenn die Stadt es nicht schafft, für wohnortnahe Grundschulen zu sorgen. Und diese Gefahr besteht durchaus – angesichts eines Schülerzuwachses von zwanzig Prozent bis 2030.

Den Anfang macht Pankow. Hier fehlt schon ab 2014 pro Jahr eine komplette Schule, wenn man den Prognosen glauben kann. Selbst Bezirke mit viel geringerem Wachstum mahnen, dass sie mit den Gebäuden nicht auskommen, weil es keinerlei Reserven gibt. Denn der Senat hat unter den strengen Sparauflagen der letzten Jahrzehnte rigoros verlangt, dass Schulen geschlossen und an den Liegenschaftsfonds abgestoßen wurden, die man rein rechnerisch nicht brauchte. Wer nicht spurte, musste dafür bezahlen.

Man kann den Berliner Sparkurs verstehen und vielleicht auch gutheißen angesichts der Schulden, die den nächsten Generationen aufgeladen werden und angesichts der anderen Bundesländer, die es leid sind, für Berlins Haushalt mit aufzukommen. Aber man muss auch den Moment erkennen, an dem das Sparen aus den Fugen gerät. Dieser Moment ist dann gekommen, wenn Kinder keine wohnortnahe Schule mehr finden. Und er ist gekommen, wenn – wie geschehen – selbst der nicht gerade für Verschwendungssucht bekannte Landesrechnungshof warnt, dass das Sparen an der Substanz der Berliner Immobilienbestände nagt. Anders ausgedrückt: Ihr Wert verfällt, weil Feuchtigkeit einsickert.

Berlins Sparkurs dauert bald 20 Jahre. Die DDR brauchte rund 50 Jahre, um ihre Altbausubstanz so weit aufzubrauchen, bis von Stralsund bis Halle nur noch die Fassaden der schönen Fachwerkhäuser standen. Aber immerhin bauten die Realsozialisten Schulen – Plattenbauoptik inbegriffen. Die Bürger haben das akzeptiert und hatten auch keine Alternative in Form von Privatschulen oder Wegzug.

Das ist heute anders. Wenn der rot-schwarze Senat Handlungs- und Zukunftsfähigkeit beweisen will, muss er mehr tun, als pressewirksam nicht näher definierten Brennpunktschulen Versprechungen zu machen, wie jüngst geschehen. Er muss in alle Schulen investieren. Und wenn er kein Geld hat, muss er eben seine Landesbibliothek zu den Akten legen und mit den dafür vorgesehenen 270 Millionen Euro den Sanierungsrückstand der Berliner Schulen angehen oder zehn neue Schulen bauen.

Das hätte den ungeheuren Vorteil, dass Berlins Schüler, Lehrer und Eltern sich wertgeschätzt fühlten und auch der Landesrechnungshof einen Grund zur Freude hätte. Nicht zu vergessen die Überraschung der neuen Freunde aus Bayern und dem Schwarzwald, die bei einem Gegenbesuch in der Hauptstadt das Gefühl bekämen, dass der Länderfinanzausgleich doch zu was gut war – wenn ihnen dann die neuen oder hübsch sanierten Schulen entgegenleuchten.

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