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Sigmar Gabriel wurde als SPD-Chef bestätigt. Seine Kanzlerkandidatur für 2013 ist immer noch wahrscheinlich - genauso wie die von Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier.

© dpa

SPD-Parteitag: Sigmar Gabriel macht sich zum Mittelpunkt seiner Partei

Die SPD hat bei diesem Parteitag kräftig an ihrem Klassiker, der Gerechtigkeit gearbeitet. Wie die Sozialdemokraten 2013 in den Wahlkampf gehen wollen, ist damit schon mal klar - mit wem hingegen noch nicht.

Die Mitte ist kein fester Platz, hat Sigmar Gabriel gesagt, als er vor zwei Jahren SPD-Chef wurde. Es käme darauf an, dass die SPD mit ihrer politischen Deutung der Verhältnisse die gesellschaftliche Mitte überzeugt. Gestern hat er mit seiner Rede die nächste Stufe gezündet. Er hat vorexerziert, dass Angela Merkel sich 2013 auf eine Richtungswahl einstellen sollte.

„Richtung“ ist jenseits der Sonntagsreden ungefähr so aus der Mode gekommen wie „Mitte“ zum leeren Mythos geworden ist. Angela Merkel hat ihrer Partei längst, ohne mit der Wimper zu zucken, allerlei Anpassungen an eine veränderte Mitte verordnet, zuletzt beim Mindestlohn. Auf dass sich die Volksparteien gleichen und ihre die relativ stärkste bleibt. Richtung hatte schon vor der Wahl 2009 nur die FDP. Nicht Merkels Traumkoalition, die dann blitzschnell verspielte, was sie zusammenhielt, Bürgerlichkeit ebenso wie die marktradikale Restanhängerschaft.

Solche Prozesse sind aber nur weitere Zerfallsprozesse nach dem Vertrauensschwund, mit dem die SPD ihre Regierungszeit bezahlt hat. Der Rückzug von Millionen Wählern in die Passivität und die Ohnmachtsgefühle der Mittelschichten gehen nicht nur zulasten von SPD oder CDU. Sondern der Demokratie, deren Lebenselixier Wettbewerb und Wechsel sind.

Wir wollen nicht, wie Merkel, eine marktkonforme Demokratie, sondern einen demokratiekonformen Markt, lautete eine von Gabriels Formeln. Sie haben für sozialdemokratische Delegierte den Charme, gleichzeitig Traditionen zu beschwören und wie ein frischer Wind in die ermüdende Alternativlosigkeit der letzten Jahre zu fegen. Staat oder Markt? Unsinn, die SPD kennt sich seit 148 Jahren aus mit der Bändigung des Kapitalismus – Gabriel hat laute und leise Töne, um sein Wort von der „Zeitenwende“ zu untermalen. Gute Arbeit, gerechter Lohn, wie wollen wir leben – die SPD hat bei diesem Parteitag kräftig an ihrem Klassiker, der Gerechtigkeit gearbeitet. Und erstaunlich selbstbewusst für sich reklamiert, die Partei der Freiheit zu sein. Nicht weniger erstaunlich die beiläufige Selbstverständlichkeit, mit der Gabriel sozialdemokratische Defizite, Versäumnisse und Fehler aussprach, inklusive der Spitzen gegen den abwesenden Altkanzler Schröder. Der am Vortag anwesende Altkanzler Schmidt hat mit seinem Auftritt den Bedarf an historischer Selbstvergewisserung unübertrefflich gedeckt.

So wirkte in Gabriels großer Botschaft eine wichtige kleine. Die offene Kanzlerkandidatenfrage, so sein augenzwinkerndes Angebot an die Delegierten, nimmt sich neben unserer Alternative zum Marktradikalismus doch relativ klein aus. Tatsächlich ist der Unterschied der Konzepte, die sich in den Personen Steinbrück, Steinmeier, Gabriel entdecken lassen, begrenzt. Gabriel ist gestern zum Mittelpunkt der SPD geworden. Und verändert haben sich nicht nur Merkel, Mitte und die CDU, sondern auch Steinbrück und Steinmeier. Wenn Gabriel im nächsten Jahr für die Kanzlerkandidatur einen Vorschlag ohne offenen Krach auf den Weg bringt, wird das Wahljahr interessant. Aus dem Spiel ist vorerst keiner von den Dreien.

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