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Meinung: SPD-Spendenaffäre: Unter Genossen

Parteifilz, Spendensumpf, schwarze Kassen, Anderkonten - alles das erlebt die Republik wieder, jetzt in Nordrhein-Westfalen. Und alle sind betroffen, in Politik, Verwaltung, Wirtschaft.

Parteifilz, Spendensumpf, schwarze Kassen, Anderkonten - alles das erlebt die Republik wieder, jetzt in Nordrhein-Westfalen. Und alle sind betroffen, in Politik, Verwaltung, Wirtschaft. 29 Millionen Mark, die in die Schweiz flossen und von dort in Teilen zurück, in schmutzige Geschäfte und schmutzige Hände. Die Flick-Affäre lässt von Ferne grüßen. In Köln ermittelt eine Sonderkommission, ob es noch Verbindungen in andere Richtungen gibt - wo wird das alles enden? Die Dimension des Ganzen lässt sich nur erahnen.

Führende Sozialdemokraten ahnen, dass sich der Skandal gefährlich auswachsen kann. Von einem "Krebsgeschwür", das dringend ausgemerzt werden muss, spricht Landesparteichef Harald Schartau. Der Fraktionsvize im Bund Ludwig Stiegler beklagt schon einen moralischen "Super-Gau" für seine Partei. Und Franz Müntefering, der im Land der SPD-Chef war und im Bund Generalsekretär ist? Der will mit alledem nichts zu tun (gehabt) haben. Bloß nicht.

Die von ihm damals geführte Landes-SPD Westfalen sei nicht die vorgesetzte Organisation von Unterbezirken oder Bezirken gewesen, sagt Müntefering. Jetzt also war der mächtigste Verband der Partei nur ein freiwilliger Zusammenschluss von vier SPD-Bezirken, wo es satzungsgemäß keine Möglichkeit gab, sich um die Finanzlage der untergeordneten Ebenen zu kümmern. Müntefering, ganz schwach? Das zu glauben fällt schwer, gerade bei ihm.

Innenminister Otto Schily findet, die Union solle sich nicht zum Moralapostel erheben. Schon recht, die CDU hat ihre Last zu tragen, besonders an Kohl. Allerdings hat die SPD keinen Anlass zu Selbstgerechtigkeit. Obwohl noch keiner den Umfang des Skandals genau kennt, weiß Müntefering schon, dass das alles ganz anders ist als bei der CDU. "Wir wissen, da war Gesetzesbruch, aber wir akzeptieren ihn nicht." Richtig ist, dass es bisher einen Unterschied zur CDU gibt, der zu Gunsten der SPD ausfällt: Niemand besteht darauf, wie Kohl, die Aufklärung zu erschweren. Aber es gibt auch einen zu Ungunsten der Sozialdemokraten: Es wird wegen Korruption ermittelt, nicht nur wegen verbotener Spendenstückelei zum Nutzen der Partei. Korruption ist der niedrigste Gebrauch höchster Ämter. Dieser Vorwurf trifft die SPD im Land, für die nach Johannes Raus langen Jahren Müntefering stand; und nicht einer - viele SPD-Politiker müssen sich des Korruptionsverdachts erwehren. Das ist eine andere Qualität.

Justizministerin Herta Däubler-Gmelin fürchtet schon "extreme Strafbarkeit". Das wird Raus zweitem Erben stinken, Ministerpräsident Wolfgang Clement. Er hat von Anfang an dem Kampf gegen Bestechung und Bestechlichkeit höchste Priorität zugemessen. Offenbar ohne durchschlagenden Erfolg.

Sumpf und Filz sind die logische Folge von Jahrzehnten Herrschaft einer Partei. Da wächst ihr Geflecht an Beziehungen übers ganze Land. Im Grunde hätte es die SPD verdient, sofort in der Regierung von Nordrhein-Westfalen abgelöst zu werden. Aus hygienischen Gründen. Da wiegen alte Worte besonders schwer. Peter Struck, der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, hat im November 2000 angesichts der Spendenaffäre der Union gesagt: "Ich spreche der CDU die moralische Legitimation ab, unser Land zu regieren." Und nun, Herr Struck?

Müntefering trägt im aktuellen Fall keine Schuld - aber Verantwortung. Und Verantwortung zu tragen ist das Wesen der Politik. Der Generalsekretär muss jetzt alles daran setzen, dass der SPD solche Worte wie die von Struck nicht auf die Füße fallen. Und sie die Wahl im Bund verliert.

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