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Meinung: SPD und PDS: Um die Macht geht es - was sonst?

Die SPD treibt auf ihre größte Herausforderung nach der Wende zu. Treibt?

Die SPD treibt auf ihre größte Herausforderung nach der Wende zu. Treibt? Oder steuert sie? Bis jetzt hat die Partei das Verhältnis zur PDS als Sache ihrer Landesverbände deklariert. Das war schon immer eine Schutzbehauptung, um der Parteiführung zu erlauben, ihre Hände in Unschuld zu waschen. Denn natürlich ist das Verhältnis einer Partei, die in den Jahren, in denen sie noch programmatischen Ehrgeiz hatte, den demokratischen Sozialismus als ihr Ziel und den real existierenden Sozialismus als ihren Gegner definierte, zu der Partei, die in der Nachfolge-Linie der SED steht, kein regionales, sondern ein kardinales Thema. Inzwischen ist erkennbar, dass die Parteiführung Bündnisse mit der PDS nicht nur toleriert, sondern sie strategisch einsetzt. Sieht man auf den Abstand, den alle Parteien seit dem großen Umbruch gegenüber der PDS gewahrt haben, ist das nichts Geringeres als eine Wende in der Nachwende-Zeit.

Ein Schuft, wer Ideologisches dabei denkt. Doch gegen den Verdacht, ein Sozialismus-Sympathisant zu sein, ist dieser Kanzler in Schutz zu nehmen. Machtpolitiker, der er ist, sieht er die Chance, seine Regierung abzustützen, die Union aus dem Spiel zu halten und damit frühzeitig das Terrain für den Wahlsieg im nächsten Jahr zu planieren. In Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern ist dank der Zusammenarbeit mit der PDS die Union ohnedies in die Defensive gedrängt. In Sachsen geht mit dem absehbaren Abgang Biedenkopfs eine Ära zu Ende, desgleichen in Thüringen mit Vogel, und so schwach die SPD dort für sich genommen ist - mit der PDS hätte Schröder die Möglichkeit, die CDU vom Throne des Regierungschefs zu stoßen. Wer könnte dann noch seine Kreise stören? Hinter dem lässigen Umgang mit der PDS, dem Freibrief für die eigenen Leute da, dem quasi-privaten Essenstermin mit dem PDS-Granden dort, wird die Absicht sichtbar, die politische Landschaft der Bundesrepublik vom Osten her aufzurollen.

Die Operation hat, natürlich, ihre Gefahren. Die eine besteht darin, dass die PDS auch nicht mehr das ist, was sie einmal war, auch wenn sie, andererseits, noch sehr die Kaderpartei ist, in deren Nachfolge sie steht. Aber die Absicht der SPD beispielsweise, mit der Schweriner Koalition die PDS zu entzaubern, ist misslungen. Stattdessen ist eingetreten, was die Kritiker dieser Entscheidung befürchteten: eine Stabilisierung der PDS. Das nimmt Schröder offenbar in Kauf. Doch die PDS ist auch sonst längst nicht mehr bereit, sich mit der Rolle des blossen Mehrheitsbeschaffers zufrieden zu gebene. Ihr Bundesgeschäftsführer Bartsch, der zu jenen PDS-Politikern gehört, die gerne auch zeigen, dass sie das Spiel mit der Macht inzwischen gelernt haben, hat sich schon einmal darüber ausgebreitet - halb heiter, halb drohend - , "zu welchen Kompromissen Schröder noch fähig ist, wenn er es im Bundesrat erst einmal mit einem Block von fünf oder sechs SPD/PDS-Ländern zu tun hat". Wie teuer ihn das kommt, wird der Kanzler noch merken.

Doch ob Schröders Strategie aufgeht, entscheidet sich an einem anderen Punkt: an dem politisch-psychologischen Zustand, in dem sich die Nachwende-Gesellschaft befindet, im Osten, aber auch im Westen. Wie tief sitzen die Abwehrreflexe gegen alles Real-Sozialistische noch, die ein halbes Jahrhundert europäischer Bürgerkrieg in die Gesellschaft hineingetragen haben? Ist wirklich schon alles vergessen, was die DDR war, mit der die PDS doch immer noch ein ziemlich familiäres Verhältnis unterhält? Oder vergeben? Oder sogar bewältigt? Ist, vor allem, die SPD so weit darüber hinweg, dass die Gefahr einer Zerreissprobe ganz abwegig ist? Immerhin bezog sie ihre Legitimation auch aus ihrer Gegnerschaft zum SED-Sozialismus. Und ihre Wähler? Was für eine Rolle spielt die Erinnerung an die SED-Politik noch? Nicht zuletzt: Wie sehr hat die PDS die von ihrer Vorgängerin übernommenen Vorbehalte abgeschüttelt? Niemand weiß das wirklich, aber wer die PDS zum Partner nobilitiert, fordert die Antworten darauf heraus. Das politische Neuland, das Schröder mit seiner am Machtgewinn ausgerichteten Strategie betritt, ist voller Unsicherheiten und noch immer historisch kontaminiert.

Und kein Wort zu Berlin? Fortwährend war davon die Rede. Wovon sonst?

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